Unsere Truppe ist müde und der müde Mensch erliegt der Seuche leichter
als der frische.
(Der Reichskanzler übernimmt den Vorsitz wieder.)
Der Reichskanzler: Die Lage ist also nicht mehr dieselbe, wie sie am
5. Oktober war, als wir veranlaßt wurden, den Friedensschritt bei Wilson
zu tun.
General Ludendorff: Ich habe den Eindruck, ehe wir durch diese
Note Bedingungen auf uns nehmen, die zu hart sind, müßten wir dem
Feinde sagen: erkämpft euch solche Bedingungen.
Der Reichskanzler: And wenn er sie erkämpft hat, wird er uns
dann nicht noch schlechtere stellen?
General Ludendorff: Schlechtere gibt es nicht.
Der Reichskanzler: O ja, sie brechen in Deutschland ein und ver-
wüsten das Land.
General Ludendorff: So weit sind wir noch nicht.
Graf Roedern: Es ist bisher nur von Sieg oder Niederlage ge-
sprochen worden. Es gibt noch eine dritte Möglichkeit: wir gehen lang-
sam zurück. Das ist das Wahrscheinlichste, wenn wir einen Durchbruch
der Feinde nicht zu befürchten haben. Ich halte auch nicht für wahrschein-
lich, daß wir die Feinde zurückwerfen. Also angenommen, wir gehen
zurück, wir füllen auf, unsere Widerstandskraft wird gestärkt: wird dann
Amerika veranlaßt, uns bessere Bedingungen zu stellen? Amerika weiß,
daß wir unsere letzten Reserven verbrauchen; es wird seine Zeit abwarten.
General Ludendorff: Wie sieht es denn in den anderen Ländern aus?
Ich habe eine Agentenmeldung, daß in England und Frankreich ernste
Befürchtungen auftreten, der Krieg könnte den Monat überdauern,
Deutschland wird die Entente noch auf feindlichem Boden zum Stehen
bringen. Die Furcht vor einem Umschlag der Lage ist dort sehr groß.
Staatssekretär Solf: Ich habe den Reichskanzler verantwortlich zu
beraten, wie die Note, die wir an Wilson zu richten haben, nach Ton
und Inhalt zu fassen ist. Für diese Aufgabe bin ich durch die Ausfüh-
rungen von Exzellenz Ludendorff nicht wesentlich besser vorbereitet als
vorher.
Zu Anfang dieses Monats ist die politische Leitung des Reichs von der
Obersten Heeresleitung gedrängt worden, die Gegner um Waffenstill-
stand zu bitten und Frieden vorzuschlagen. Gegen den Willen und gegen
die Auffassung des Herrn Reichskanzlers hat er sich entschließen müssen,
diesen Schritt mit seiner Verantwortlichkeit zu decken. Dann kam die
Gegenfrage, und auch damals ist an der Auffassung festgehalten worden,
daß in unserer Antwort an den von uns vorgeschlagenen Bedingungen
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