barkeit war uns ein großer Bundesgenosse und der schlimmste Feind des
englischen Kriegswillens; bis zu der „Lusitania“-Affäre sträubte sich der
gesunde Instinkt des englischen Volkes dagegen, an die Größe der deutschen
Gefahr für das englische Imperium zu glauben, ein Volk in Waffen zu
werden und so auf das „Erstgeburtsrecht“ seiner Insellage zu verzichten.
.. Die Argumente der, Westminster Gazette“ und des Dropaganda-
komitees von Rosebery, Balfour und Asquith hätten es nicht geschafft,
bätten den breiten englischen Volksmassen nicht die Aberzeugung bei-
gebracht, warum es so nötig sei, auf dem Kontinent zu kämpfen. Der
phantasiearme Durchschnittsengländer konnte nicht als Wirklichkeit er-
leben, was er nur vom Hörensagen kannte. Nun spürte England mit
allen Sinnen die ganze Furchtbarkeit der deutschen Gefahr und zweifelte
nicht weiter an dem deutschen Hasse. Das leere Schlagwort der englischen
Hetpresse, Fright fulness“ (Holitik des Terrors) erhält mit einem Male
Blut und Leben durch die Frauen und Kinder, die da an die (irische]
Küste gespült werden. Wir müssen dies Wort in seiner ganzen Häßlich-
keit verstehen, wenn wir Englands Kriegswillen von heute verstehen
wollen. Sobald Nichtkombattanten bei der deutschen Kriegführung um-
kommen, verhindert das Wort, Frightfulness“bei unseren neutralen und
kriegführenden Feinden die gerechte Deutung: Deutschland kann bei der
Erreichung eines harten militärischen Zweckes die Zivilisten nicht immer
schonen. Sondern „Frightfulness“ löst sofort das Gefühl aus: gerade
auf die Nichtkombattanten ist es abgesehen. Ihr Jammer und Tod soll
die feindlichen Völker kleinmütig machen. So gering schätzt Deutschland
die moralische Widerstandskraft seiner Feinde ein."“ 1
1 „Die Methode ist interessant. Am 10. Mai 1915 schreibt die „Times“ einen
Leitartikel: „Die Geächteten der Zivilisation“. Lord Nosebery richtete einen offenen
Brief an die „Times“: Nie ist das Wort „Schlimmer als ein Verbrechen, ein Fehler“
deutlicher illustriert worden als durch die Versenkung der „Lusitania“. Deutschland will
uns terrorisieren. Es wird nur unsere nationalen Kräfte zu einer neuen ungeheuren
Kraftanstrengung zusammenraffen. — Am 11. Mai fordert die „Times“ straffere
nationale Organisation. Am 12. Mai: WVeröffentlichung des Greuelberichtes des
Bryce-Komitees. Am 13. Mai weiß die „Times“ antideutsche Demonstrationen und
Plünderungen zu verzeichnen. Am 14. Mai schreibt die „Times“ auf Grund von
Repingtons Besuch an der Front: „Der Mangel eines unbegrenzten Vorrats an
Explosivgeschossen hat in verhängnisvoller Weise unseren Erfolg aufgehalten. Wären
die Mittel vorhanden, so könnten die deutschen Linien zweifellos durchbrochen werden.“
Cieser Satz wird an drei aufeinanderfolgenden Tagen wörtlich wiederholt und als
Motto der weiteren Agitation vorangestellt. Dabei wird bei jeder Gelegenheit darauf
hingewiesen, daß Asquith den Granatenmangel als eine Behinderung der englischen
Offensive abgeleugnet hätte.“ (Kurt Hahn, Englands Kriegswille im Lichte der eng-
lischen Presse, Preußische Jahrbücher, Janmar 1917, Bd. 167, Heft 1, S. 1 ff.)
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