Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

stand der Volksvertretung ein Einfluß auf die Bildung der Regierung 
bisher nicht zu. Die Verfassung sah bei der Entscheidung über Krieg und 
Frieden eine Mitwirkung der Volksvertretung nicht vor. In diesen Ver- 
hältnissen ist ein grundlegender Wandel eingetreten. Die neue Negie- 
rung ist in völliger Abereinstimmung mit den Wünschen der aus dem 
gleichen, allgemeinen, geheimen und direkten Wahlrecht hervorgegangenen 
Volksvertretung gebildet. Die Führer der großen Parteien des Reichs- 
tags gehören zu ihren Mitgliedern. Auch künftig kann keine Regierung 
ihr Amt antreten oder weiterführen, ohne das Vertrauen der Mehrheit 
des Reichstags zu besitzen. Die Verantwortung des Reichskanzlers 
gegenüber der Volksvertretung wird gesetzlich ausgebaut und sicher- 
gestellt. Die erste Tat der neuen Regierung ist gewesen, dem Meichstag 
ein Gesetz vorzulegen, durch das die Verfassung des Reichs dahin ge- 
ändert wird, daß zur Entscheidung über Krieg und Frieden die Zustim- 
mung der Volksvertretung erforderlich ist. 
„Die Gewähr für die Dauer des neuen Systems ruht aber nicht nur 
in den gesetzlichen Bürgschaften, sondern auch in dem unerschütterlichen 
Willen des deutschen Volkes, das in seiner großen Mehrheit hinter diesen 
Meformen steht und deren energische Fortführung fordert. 
„Die Frage des Präsidenten, mit wem er und die gegen Deutschland 
verbündeten Regierungen es zu tun haben, wird somit klar und unzwei- 
deutig dahin beantwortet, daß das Friedens- und Waffenstillstands- 
angebot ausgeht von einer Regierung, die, frei von jedem willkürlichen 
und unverantwortlichen Einfluß, getragen wird von der Zustimmung 
der überwältigenden Mehrheit des deutschen Volkes. Solf.“ 
Am Morgen des 21. Oktober lebte der Sturm im Kabinett wieder auf. 
Staatssekretär Solf hatte zu Anfang der Sitzung Ludendorffs Standpunkt 
in den Worten wiedergegeben, die der General selbst in der Nacht Haeften 
gegenüber gebraucht hatte: 
„Militärisch ist die Sache für mich entschieden durch den Befehl Seiner 
Majestät, aber über meine Aberzeugung hat Seine Mojestät keine 
Macht.“ 
Ich war nicht zugegen, durch Regierungsgeschäfte verhindert; auch 
interessierte ich mich nicht mehr für einen Konflikt, der jeder ernsthaften 
Grundlage entbehrte und nunmehr in einem Nachspiel enden sollte, das 
in einem seltsamen Gegensatz zu der Tragik unserer Lage stand. Die Herren 
bestanden darauf, mit dem General Ludendorff weiter zu argumentieren. 
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