Außerdem hatte ich die verfassungsändernden Gesetzentwürfe anzu-
kündigen, die wir vorbereitet hatten oder noch bearbeiteten:
1. Die Vorlage über die Stellung der Staatssekretäre, die dem Reichs-
tag angehörten :1 Die Abänderung des Art. 21, dessen zweiter Absatz
gestrichen wurde, und eine neue Fassung des Stellvertretergesetzes.
2. Eine Abänderung des Art. 11, welche die Kriegserklärung durch den
Kaiser nicht wie bisher nur von der Zustimmung des Bundesrats, son-
dern auch von der des NReichstags abhängig machte.“
In unserer Vorlage stand noch die Einschränkung: „Es sei denn, daß
ein Angriff auf das Bundesgebiet oder dessen Küste erfolgt“; aber wir
hatten verabredet, daß die Parteien beantragen sollten, diesen Zusatz
zu streichen. Dieses Zugeständnis sollte Wilson den Vorwand nehmen,
seinem unorientierten Volke einzureden, der Kaiser könnte immer einen
Uberfall konstruieren und dadurch den Reichstag bei der Kriegserklärung
ausschalten. Wir glaubten auf die Einschränkung verzichten zu können,
weil im Ernstfall keine Verzögerung der notwendigen Abwehrmaß-
nahmen erfolgen würde.“ Das Wort Scheidemanns bei Beratung dieses
Artikels: „Im Ernstfall wehrt sich das Volk seiner Haut,“ leuchtete
mir ein.
Wir planten dann noch, die Rechte und Pflichten des Reichskanzlers
anders als bisher in der Verfassung sicherzustellen: seine Berantwortung
gegenüber dem Reichstag und Bundesrat festzulegen und auf alle po-
litischen Handlungen des Kaisers auszudehnen; sodann die Ernennung
der Offiziere der Marine von der Gegenzeichnung des Reichskanzlers, die
Ernennung der Offiziere der Armee von der Gegenzeichnung des Kriegs-
1 Siehe oben S. 359.
* Art. 21 Abs. 2: „Wenn ein Mitglied des Reichstags ein besoldetes Reichsamt
oder in einem Bundesstaat ein besoldetes Staatsamt annimmt, oder im Neichs-
oder Staatsdienst in ein Amt eintritt, mit welchem ein höherer Rang oder ein
höheres Gehalt verbunden ist, so verliert es Sitz und Stimme in dem Reichstag
und kann seine Stelle in demselben nur durch neue Wahl wiedererlangen.“
* Nach der neuen Fassung konnten alle Stellvertreter des Reichskanzlers (auch
Staatssekretäre ohne Dortefeuille) jederzeit im Reichstag das Wort ergreifen,
auch wenn sie nicht Mitglieder des Bundesrats waren.
* Art. 11: „Zur Erklärung des Krieges im Namen des Reichs ist die Zustim-
mung des Bundesrats (Zusatz: und des Reichstags) erforderlich. Friedensverträge,
sowie diejenigen Verträge mit fremden Staaten, welche sich auf Gegenstände der
Reichsgesetzgebung beziehen, bedürfen der Zustimmung des Bundesrats (Zusatz:
und des Reichstags).“
* Die Erklärung des „Zustandes drohender Kriegsgefahr“ bedurfte nicht der Zu-
stimmung des Reichstags.
475