Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

Präsidenten Wilson angeredet worden. Diese Tatsache gibt den Auße- 
rungen der Vertreter aller Parteien erhöhtes Gewicht. 
„Ich möchte daher heute über die internationale Lage nicht mehr 
als dieses Eine sagen: 
„Die erste Antwort des Präsidenten auf den Friedensschritt der 
deutschen Regierung hat in allen Ländern den Kampf der Meinungen 
über die Frage: Rechtsfriede oder Gewaltfriede? auf den Höhepunkt 
geführt. Es handelt sich um den Gesinnungsstreit, der in jedem einzelnen 
Lande öffentlich ausgefochten wird, wie er auch in gleicher Lage bei 
uns ausgefochten werden müßte. 
„Auf der einen Seite erheben diejenigen lauter denn je ihre Stimme, 
die sich einbilden, der Augenblick sei nahe, in dem sie all die ange- 
sammelten Leidenschaften des Hasses und der Nachsucht auf dem 
Boden unserer deutschen Heimat befriedigen können; auf der anderen 
sind sich die aufrichtigen Anhänger des Völkerbundes vollständig klar 
darüber, daß der Grundgedanke des neuen Glaubens heute seine ent. 
scheidende Hrobe besteht. Dieser Grundgedanke lautet: Ehe irgendeine 
einzelne Macht oder Mächtegruppe es unternimmt, das Zwangsmittel 
der Gewalt zur Durchsetzung des von ihr vertretenen Rechts gegen 
eine andere Nation anzuwenden, muß mit aller Gründlichkeit und 
Ebrlichkeit der Versuch gemacht werden, auf dem Wege freiwilliger 
Lbereinkunft den Frieden zu erhalten oder — auf die gegenwärtige 
internationale Lage angewandt — ihn zu erreichen. 
„Dieser Kampf der Meinungen ist noch unentschieden. Wir können 
die seelischen Gewalten nennen, die gegeneinander stehen, aber nicht 
ihr Kräfteverhältnis abschätzen. 
„Die letzte Note des Präsidenten Wilson hat dem deutschen Volke 
keine Klarheit darüber gebracht, wie der öffentliche Meinungsstreit 
ausgehen wird. WVielleicht wird die neue Antwort des Präsidenten die 
endgültige Gewißhbeit bringen. 
„Bis dahin, meine Herren, müssen wir uns in allen unseren Ge- 
danken und in allen unseren Handlungen auf die beiden Möglichkeiten 
rüsten: 
„Erstens darauf, daß die feindlichen Regierungen den Krieg wollen, 
und daß uns keine andere Wahl bleibt, als uns zur Wehr zu setzen mit 
der ganzen Kraft eines Volkes, das man zum Außersten treibt. Wenn 
diese Notwendigkeit eintritt, so habe ich keinen Zweifel, daß die deutsche 
Regierung im Namen des deutschen Volkes zur nationalen Ver- 
teidigung aufrufen darf, wie sie im Namen des deutschen Volkes 
sprechen durfte, als sie für den Frieden handelnd eingriff. 
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