Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

Haeften! drang in mich, ich sollte die amtliche Veröffentlichung auf- 
halten, damit der Kaiser noch das Prävenire spielen und seine Ab- 
dankung gleichzeitig mit der Note bekanntgeben könne. Der Kaiser dürfe 
nur aus freier Initiative die Krone niederlegen, wie es der König von 
Bulgarien getan habe; niemals aber unter dem Oruck der Sozialdemo- 
kraten. „Wenn aber Seine Mojestät sich nicht sofort entschließt, dann bleibt 
nur übrig, mit Wilson zu brechen; und dann heißt es: Helm ab zum Gebetl!“ 
Ich wehrte ab. Haeften aber hatte keine Ruhe mehr. Noch war die 
Wilson-Note nicht im breiten Publikum bekannt. Der Gedanke war ihm 
unerträglich: nach ein, zwei Tagen würde die Forderung nach der Ab- 
dankung aus dem Volke aufsteigen; dann war der Zeitpunkt für eine 
würdige Thronentsagung verpaßt. Er orientierte noch am Nachmittag, 
seinen Chef, daß rasche und entscheidende Entschlüsse gefaßt werden müßten. 
Der General Ludendorff erklärte, mit dem Generalfeldmarschall nach 
Berlin kommen zu wollen, und zwar sofort. Haeften ließ mich von der 
Absicht der Obersten Heeresleitung unterrichten. 
Da forderte ich den Aufschub der Reise, überzeugt, daß der Eindruck 
unter allen Amständen vermieden werden müsse, als stünde die Regierung 
bei ihren Entschlüssen unter dem Druck des Generals Ludendorff — gerade 
weil wir unserer Antwortnote eine würdige Fassung geben wollten. 
Das Kabinett trat unter dem Vorsitz Pavers zu einer Nachtsitzung zu- 
sammen. Haußmann kam vorher auf wenige Minuten zu mir. Wir be- 
sprachen die Wirkung, die Wilsons Worte haben könnten. Das deutsche 
Volk wirft nicht auf Geheiß des Feindes seinen Kaiser fort, so meinte er 
zuversichtlich. IJch dankte ihm für dieses mannhafte Wort. 
Auch die anderen Herren gingen in der Deutung der Note den gleichen 
Weg wie ich. In der Sigtung (vom 24. Oktober) war es Scheidemann, 
der die Hoffnung aussprach, wir könnten noch um die Kaiserfrage herum- 
kommen,! die Parteileitung habe bereits ihre Presse angewiesen, nicht durch 
Erörterung der Abdankung die Friedensverhandlungen zu komplizieren. 
Die Sorge um den verlöschenden Kampfwillen der Heimat beherrschte 
die Beratungen. Ist die nationale Verteidigung noch durchführbar? In 
dieser Frage standen zum erstenmal die Meinungen gegeneinander. Hauß- 
mann traf den Kern: Solange die Bedingungen des Waffen- 
stillstands nur in Wilsons vieldeutiger Umschreibung vor- 
liegen, begreift das Volk ihre Anerträglichkeit nicht. Wir 
1 Drotokoll der Kabinettsnachtsitzung vom 24. Oktober 1918: Scheidemann: 
„Gelänge es uns, Wilsons Forderungen zu erfüllen, so hoffe er um Kaiserfrage 
herumzukommen. Wünsche nicht, Frage der Monarchie zu lösen, möchte sie ganz aus- 
geschieden wissen. Der Sozialdemokratie sei die äußere Staatsform Nebensache.“ 
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