Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

Ich glaubte nach der Entlassung des Generals Ludendorff die Bahn frei 
zu haben, um auf die Note Wilsons die Antwort zu geben, die ich für rich- 
tig hielt. Simons hatte nach meinen Anweisungen die Note entworfen: 
Die deutsche Regierung hat die Antwort des Präsidenten der Vereinigten 
Staaten erhalten. 
Der Präsident kennt die tiefgreifenden Wandlungen, die sich in dem deutschen 
Verfassungsleben vollzogen haben und vollziehen. Die entscheidenden Macht- 
befugnisse ruhen tatsächlich und verfassungsmäßig in den Händen der Volksregie- 
rung, mit der die Friedensverhandlungen zu führen sein werden. 
Die deutsche Regierung erwartet demnach Vorschläge für einen Waffenstillstand, 
nicht das Ansinnen einer Waffenstreckung. Soll der Waffenstillstand einen Rechts- 
frieden einleiten, der den Grundsätzen des Präsidenten entspricht, so darf er dem 
deutschen Volke nicht die Möglichkeit nehmen, den Einzelheiten des Friedens- 
vertrages in freier Entschliehung zuzustimmen. 
Ich legte entscheidendes Gewicht auf die Antithese: Waffenstillstand- 
Waffenstreckung, darin bestärkt durch Max Warburg, der sonst nie un- 
gerufen kam, aber am 25. Oktober in der Reichskanzlei erschienen war, 
voll Empörung über die Note Wilsons: „Ich bin mir der amerikanischen 
Mentalität durchaus sicher; wir dürfen uns um keinen Preis länger 
treten lassen, sondern sollten uns auflehnen. Es müßte etwas in die Note 
hinein, das die Feinde vor der Entschlossenheit eines Volkes warnt, 
das man zur Verzweiflung treibt." 
Solf hatte unsere Note am 26. vormittags im Kabinett mitgeteiltt 
und heftige Ablehnung gefunden. Schon während der Verlesung hatte 
1 Ich finde unter meinen DPapieren zwei Entwürfe und kann nicht genau feststellen, 
welcher von beiden in dieser Sitzung zur Verlesung kam; darum setze ich den zweiten 
ebenfalls her: 
Oie deutsche Regierung hat von der Antwort des Präsidenten Wilson Kenntnis 
genommen und fühlt sich verpflichtet, mit demselben Freimut zu erwidern, mit dem 
der Präsident gesprochen hat. 
Die deutsche Regierung hat die Sätze angenommen, die der Präsident als die 
Grundlage eines Rechtsfriedens aufgestellt hat. Sie hat demgemäß einen Waffen- 
stillstand herbeiführen wollen, nicht aber eine Waffenstreckung, einen Frieden kraft 
freier Zustimmung, nicht aber einen Frieden durch Gewalt. Gerade eine Regierung, 
die dem Bolke verantwortlich ist, darf sich einem Gewaltfrieden nicht beugen, solange 
das Volk noch Kraft zum Widerstand hat. Die deutsche Regierung entnimmt der 
Note des räsidenten, daß er einem demokratisch regierten deutschen Volke einen 
Gewaltfrieden nicht zumuten will, wenn die neue Regierungsweise ihm die Gewähr 
der Dauer bietet. Der Präsident kennt die entscheidenden Wendungen, die sich in dem 
deutschen Verfassungsleben in diesen Tagen vollzogen haben und noch weiter voll- 
ziehen. Die deutsche Regierung geht davon aus, daß es nicht nur ein Recht, sondern 
auch eine Hflicht der Selbstbestimmung gibt, die dem deutschen Volke gebietet, die 
Lmgestaltung seiner Verfassung nicht anders vorzunehmen, als es seiner Eigenart und 
seiner Aberzeugung entspricht. 
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