Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

Scheidemann dazwischen gerufen: „Er springt ab, er springt ab.“ Erz- 
berger und Scheidemann hatten sich zu der Abfassung eines demütigen 
Ookumentes verbündet und liefen nun Sturm gegen meinen Entwurf. 
Jetzt handelte es sich nicht mehr um Streitfragen des Takts und des Ge- 
schmacks: die beiden Staatssekretäre hatten aufgehört, an die nationale 
Verteidigung zu glauben. 
Scheidemann hatte nur die eine Sorge: die Entscheidung des Ka- 
binetts sollte Gnade vor den Massen finden, die zu den AUnabhängigen 
weglaufen wollten. „Wir dürfen nicht drohen, daß Wilson uns keine Be- 
dingungen stellen darf, die wir nicht annehmen können.“ Erschütternd war 
das Eingeständnis seiner Ohnmacht: „In meiner Fraktion hat man gestern 
gesagt, wir müssen zum Frieden kommen und können nicht mehr. Sie hbat 
gewünscht, daß ihr vor Abgang der Note Kenntnis gegeben werde. Bei 
dieser Note würde ich heftige Opposition finden.“ 
Erzberger sekundierte mit dem allergefährlichsten Argument: Wir 
können einen schlechten Waffenstillstand bekommen und doch einen guten 
Frieden. Da brauste der Abgeordnete Haußmann auf, Erzberger befinde 
sich in einem grundlegenden Irrtum: schlechter Waffenstillstand, schlechter 
Friede. Vergebens suchte der General Scheüch die Stimmung zu festigen: 
Ansere Lage ist im Innern und nach außen nicht verzweifelt; wir können 
der Front noch alles liefern. Vergebens wies Friedberg darauf hin, daß 
Ehre der Armee und Ehre des Volkes gleichbedeutend wäre. Scheidemann 
machte geltend: Die scharfe Tonart der Note würde auf den Besuch von 
Ludendorff und Hindenburg zurückgeführt werden und wieder als ein Be- 
weis des militärischen Abergewichts gelten. 
Die Vormittagssitzung war unterbrochen worden, damit Simons 
mir berichtete. Er hatte im Kabinett vergeblich für meine Auffassung ge- 
kämpft und war jetzt der Meinung, man solle es auf einen Bruch mit den 
Staatssekretären ankommen lassen. 
Ich hoffte noch, daß sie sich überzeugen ließen. Herr v. Dayer er- 
öffnete die Sitzung um 1 Uhr 30 mit der Mitteilung, daß der General 
Ludendorff seinen Abschied erhalten habe und der Feldmarschall bleibe; 
er fügte hinzu: mit Rücksicht auf diese Tatsache fordert der Reichskanzler, 
daß die Note einen würdigeren Ton erhalte. Scheüch ging so weit, zu 
sagen: Für die Entschließung des Kaisers sei der Gesichtspunkt mitbestim- 
mend gewesen, daß man nach dem Abgang Ludendorffs einen schärferen 
Ton anschlagen könne. 
Alle waren einverstanden bis auf Erzberger und Scheidemann, die zäh 
mit den alten Argumenten widerstrebten, keinen Augenblick die NRiesen- 
masse verzagender öffentlicher Meinung vergessend, die hinter ihnen stand 
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