Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

Blutvergießen ein Verbrechen wäre, das zu begehen Mir Mein Ge- 
wissen verbietet. 
„Die Ordnung im Innern und das monarchische Prinzip sind in der 
ernstesten Gefahr, wenn wir dem Kampf nicht sofort ein Ende bereiten. 
„Selbst die innigsten bundesbrüderlichen und freundschaftlichsten Ge- 
fühle müssen vor der Erwägung zurückstehen, daß Ich den Bestand 
jener Staaten rette, deren Geschicke Mir die göttliche Vorsehung anwer- 
traut hat. Deshalb kündige Ich Dir an, daß Ich den unabänderlichen 
Entschluß gefaßt habe, innerhalb 24 Stunden um einen Separat- 
frieden und um einen sofortigen Waffenstillstand anzusuchen. 
„Ich kann al seianders, Mein Gewissen als Herrscher befiehlt Mir, 
also zu handeln. — 
In treuer Freundschaft 
Karl.“ 
OHrinz Hohenlohe fügte hinzu: jede denkbare Einwirkung sei versucht 
worden, aber vergeblich gewesen. 
An diesem Abend drang die Nachricht noch nicht in die Offentlichkeit, 
aber ging in politischen Kreisen von Mund zu Mund und erregte überall 
Entsetzen: Osterreich noch vor der Türkeil! 
VWährend unsere Note chiffriert wurde, nahm der Staatssekretär Solf 
an einem Abendessen bei Herrn v. Holtzendorff teil, bei dem Bundes- 
ratsmitglieder, Staatsminister und auch eine führende Persönlichkeit des 
Wirtschaftslebens zugegen waren. Als Solf von dem Text unserer Note 
Mitteilung machte, erfolgte einstimmiger Protest. 
Die Herren erklärten, angesichts der jetzt entstandenen Lage sei eine so 
stolze Sprache weder nach außen noch nach innen möglich. Wir dürften 
nicht riskieren, daß Wilson abbreche, das könnte das deutsche Volk nicht 
mehr ertragen. 
Darauf hielt Solf auf eigene Verantwortung die Note in dieser Nacht 
auf und orientierte am nächsten Morgen das Kabinett. Die Mehrzahl der 
Staatssekretäre billigte seinen Entschluß und hielt eine ausdrückliche Ver- 
wahrung gegen die Waffenstreckung nicht mehr für möglich. Die drei 
Schwaben Gröber, Dayer und Haußmann bedauerten ihn. Haußmann 
meinte: Wir dürfen nicht einen Wettlauf mit Kaiser Karl um die Kapi-. 
tulation beginnen. 
Die Verhandlungen mit dem Kabinett waren mir durch meine Krank- 
heit sehr erschwert. Ich ließ durch Simons darauf drängen, überhaupt keine 
Note abzusenden, wenn die Antithese: Waffenstillstand-Waffenstreckung 
nicht bestehen bliebe. Die Herren erklärten, die deutsche Offentlichkeit er- 
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