seines Volkes willen den schwersten Entschluß faßte, so würde das nicht
als Schwäche ausgelegt werden können, sondern die kommenden Ge-
schlechter eines, so Gott will, wieder erstarkten Deutschlands würden die
Tar preisen, die geschehen wäre, um von Volk und Land das Schlimmste
abzuwenden.
„Du weißt weit besser als ich, wie in Wahrheit unsere Aussichten
sind .. Bei allen den unendlich schmerzlichen Ereignissen dieser Zeit
suchen Dich meine Gedanken in dem Bewußtsein der Last, die auf
Dir liegt, und in der Gewißheit, daß ein fortgesetztes Opfer, wie
Du es bringst, seinen Segen in sich trägt.
„Ich sende diese Zeilen durch Major Draudt,u weil ich weißb, daß Du
ihn schätzest und ihm volles Vertrauen schenkst. Ich habe ihn gebeten,
Dir den Brief womöglich persönlich zu übergeben, weil er in der Lage
ist, mündlich manche Erläuterungen zu geben, die die Dinge klarer und
lebendiger darstellen als alles Geschriebene. Kapitänleutnant Mensing
wird ihn begleiten, um Dir, falls Du es wünschest, weitere Aufklärungen
über die ihm zur Verfügung stehenden Informationen zu geben."
Hier sprach ein Mann, der dem Kaiser zugetan war, Ludendorff ver-
trauend und bewundernd gegenüberstand, und der nach der Friedensreso-
lution des Reichstages in die Vaterlandspartei geflüchtet war.
Die beiden Offiziere, Draudt und Mensing, stützten jedes Argument,
überzeugt, in Wilsons innerste und edelste Absichten eingedrungen zu
sein. Die Drohnote sei nur ein Hilferuf an uns, wir sollten ihm den Kampf
für den Rechtsfrieden erleichtern. Dieser Kampf sei sehr schwer, aber
Wilson der Mann, ihn zu gewinnen. Die Herren beschworen mich, be-
schleunigte Entscheidungen herbeizuführen, es könnte sich um Tage, ja um
Stunden handeln, dann stünden Fochs Waffenstillstandsbedingungen fest.
Dieser Besuch brachte mich in schwere Gewissensnot.
Wohl setzte ich starke Zweifel in die Schlußfolgerungen des „Gewährs-
mannes“. Insbesondere blieb meine #berzeugung unerschüttert, daß jeder
Beweis militärischer Kraft, den wir geben könnten, Wilsons Stellung
gegenüber Foch stärken und nicht schwächen würde. Aber wenn der Fürst
Hohenlohe nur in dem einen Punkt recht hatte, daß die Abdankung des
Kaisers die Waffenstillstandsbedingungen mildern würde, dann hatte ich
1 Major Draudt von der Gefangenenabteilung des Kriegsministeriums gehörte
zu der Gefangenenkommission, die in Bern mit den Amerikanern verhandelte. Ich
kannte ihn seit Jahren von den Verhandlungen her, die ich mit dem Kriegsmini-
sterium zu führen hatte, als einen energischen und humanen Mann.
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