zurückziehen müssen. Es ist notwendig, die Antwort Wilsons abzuwarten
und dann die Entscheidungen zu treffen, damit, falls entwürdigende An-
träge kommen, weitergekämpft werden könne.“
Gallwitz verlangte präzise Auskunft über die Lage in Osterreich; er
wollte unterscheiden zwischen Abfall und Ausscheiden des Bundesgenossen.
Würde Osterreich sich gezwungen sehen, feindliche Truppen durchzulassen?
In jedem Fall würden italienische Kräfte an die Vogesenfront gezogen
werden.] Dies sei sehr schlimm, weil unsere Vogesenfront schwach besetzt
sei. Es könnte dies der Tropfen sein, der das Faß zum Aberlaufen brächte.
Solf verlas die bereits im Ausland veröffentlichte Note Osterreichs,
darin die treulosen Worte vorkamen: „ohne das Ergebnis anderer Ver-
handlungen abzuwarten". Der Staatssekretär warnte die Herren dringend
davor, etwas anderes in Rechnung zu stellen, als Osterreichs bedingungs-
lose Kapitulation.
Die Generale waren entsetzt. Gallwig sagte: „Das kommt so überraschend,
daß es schwer ist, umzudenken“. Einen Augenblick schien es, als ob er und
Mudra unsere Sache dann für verloren hielten, wenn die Entente über die
österreichischen Bahnen verfügte.5
Aber Gallwitz „wollte doch noch nicht die Flinte ins Korn werfen“. Es
seien das vorläufig alles Bermutungen. Wir müßten erst sehen, wie lange
wir es noch aushielten. Vom Standpunkt der nationalen Ehre dürfe man
nicht Schicht machen, solange die Armee noch in Widerstandskraft dastebe.
1 Vgl. dagegen Ludendorffs Außerungen am 17. Oktober, siehe oben S. 435.
* Die Waffenstillstandsbitte Osterreichs an Wilson vom 27. Oktober 1918 hatte
folgenden Wortlaut: „In Beantwortung der an die österreichisch-ungarische Regie-
rung gerichteten Note des Herrn Präsidenten Wilson vom 18. d. M. und im Sinne
des Entschlusses des Herrn Präsidenten, mit Osterreich-Ungarn gesondert über die
Frage des Waffenstillstandes und des Friedens zu sprechen, beehrt sich die öster-
reichisch= ungarische MRegierung, zu erklären, daß sie ebenso wie den früheren Kund-
gebungen des Herrn Präsidenten auch seinen in der letzten Note enthaltenen Auf-
fassungen über die Rechte der Völker Osterreich-Ungarns, speziell über jene der
Cschechoslowaken und der Jugoslawen, zustimmt. Da somit Osterreich-Ungarn
sämtliche Bedingungen angenommen hat, von welchen der Herr Dräsident den
Eintritt in Verhandlungen über den Waffenstillstand und den Frieden abhängig
gemacht hat, steht nach Ansicht der österreichisch-ungarischen Regierung dem Be-
ginn dieser Verhandlungen nichts mehr im Wege. Die österreichisch-ungarische
Regierung erklärt sich daher bereit, ohne das Ergebnis anderer Verhandlungen
abzuwarten, in Verhandlungen über den Frieden zwischen Österreich--Ungarn
und den gegnerischen Staaten und über einen sofortigen Waffenstillstand auf allen
Fronten Österreich-Ungarns einzutreten, und bittet den Herrn Präsidenten Wilson,
die diesfälligen Einleitungen treffen zu wollen.“
* Amtliche Urkunden, S. 217. Mudra: „Wenn Osterreich bedingungslos kapi-
tuliert und sich auf die Seite der Feinde stellt, dann ist die Sache für uns verloren.“
521