Nachrichten sind falsch. Was mich am meisten überrascht hat, ist die
Stellungnahme des Beamtentums. Ich hätte nie für möglich gehalten,
daß diese Leute so glatt umfallen.
„Auch eine ganze Anzahl Offiziere sind bei mir gewesen und haben
dieselbe Meinung ausgesprochen. Das waren Offiziere bis zum Obersten
herauf. Es tat ihnen allen sehr leid, aber sie sagten, höher als die Stel-
lung des Kaisers steht uns das Baterland.
„Und das ist richtig. Liegt es im Interesse des Landes und des Volkes,
so muß man sich über die Gefühle, die ich durchaus ehre, hinwegsetzen.
Es ist auch im Interesse des Kaisers selbst und seines Namens in der
Geschichte. Er muß die Folgerung der Niederlage ziehen und frei-
willig zurücktreten."“
Ich überhörte das Wort von übler Vorbedeutung: „Bevor ich so
etwas sage (d. h. drohe, aus dem Kabinett auszutreten), müßte ich mich
mit meinen Parteifreunden besprechen,“ und sprach Herrn Scheidemann
meine Genugtuung aus über seine Zusage, das Kabinett nicht sprengen zu
wollen. Dann mußte ich die Sitzung verlassen, um den Großherzog von
Hessen zu sprechen, der unerwartet schnell aus Darmstadt eingetroffen war.
In meiner Abwesenheit ging die Debatte weiter unter Vorsitz von
Herrn v. Dayer. Er brachte die Diskussion auf das richtige Geleis, in-
dem er sagte:
Man könne hier keine Beschlüsse fassen wie in einem Kollegium,
sondern nur Meinungen äußern, die der NReichskanzler erwägen müsse.
Seine Auffassung ginge dahin, daß eine Lösung nur durch freiwilligen
Rücktritt Seiner Majestät zu finden sei, und zwar freiwillig gegenüber
jedem Druck von innen und außen. Bis zum letzten Sonntag habe er noch
geglaubt, dem Kaiser die Abdankung ersparen zu können. Die Lage müsse
dem Kaiser klar vorgestellt werden. Es sei das Sache des Vertrauens,
das man zum Kaiser, seiner Amgebung und auch zum Reichskanzler habe.
Auch den Herrn Reichskanzler dürfe man nicht einem einstimmigen
Kabinettsvotum gegenüberstellen. Auch auf ihn dürfe kein Druck aus-
geübt werden.
Zwei Zentrumsvertreter wandten sich scharf gegen die Abdankung, be-
sonders in diesem Augenblick. Erzbergers Votum war nicht folgerichtig.
Er meinte: eine andere als eine freiwillige Abdankung seit wertlos, aber
er empfahl, ähnlich wie Eulenburg, daß der Kaiser die Bedingungen ab-
warten und sich lieber durch das Ausland zu dem Schritt drängen lassen
1 Bgl. Dayer, a. a. O., S. 148 ff.
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