wenn ich zugleich die Kabinettsfrage stellte; dann aber sei dem Kaiser jede
Freiheit der Entschließung genommen. Nur im äußersten Falle würde ich
diesen Weg gehen.
Hier sekundierte mir Graf Lerchenfeld: Der Rücktritt der gegenwärtigen
Regierung wegen dieser Frage würde die NRevolution besiegeln.
Die Bevollmächtigten kamen auf Grund meiner Ausführungen zu dem
formulierten Gesamtergebnis:
Der Reichskanzler hält es jetzt augenscheinlich für notwendig, die
Behandlung der Frage einer Abdankung des Keisers, einschließlich
einer gleichzeitigen Abdankung des Kronprinzen auf der Basis, daß dann
im Reich und in Dreußen eine ARegentschaft durch einen preußischen
Prinzen für die Zeit der Minderjährigkeit des ältesten Sohnes des
Kronprinzen eintreten soll, in ein ernstes Stadium zu leiten. Der
Kanzler will, ausgehend von dem Drinzip, daß nur eine freiwillige
Abdankung des Kaisers in Frage kommen könne, sich vorläufig auf eine
rein informatorische Betätigung gegenüber dem Kaiser beschränken,
behält sich aber gegebenenfalls eine weitere Entschließung vor und möchte
schon jetzt über die Stellungnahme der übrigen Bundesfürsten dahin.
unterrichtet werden, ob diese, wenn der Kaiser von sich aus zu einem
Abdankungsentschluß kommen will, einen solchen Entschluß vom bundes-
fürstlichen Standpunkt billigen würden.
Nach Schluß der Sitzung teilte der bayerische Gesandte noch vertraulich
mit, daß Seine Majestät der König von Bayern bereits eine Einver-
ständniserklärung in dem von mir umrissenen Sinne abgegeben habe.
Ich kehrte in das Reichskanzlerpalais zurück in dem Gefühl, daß die
Vertreter der Bundesstaaten in ihrer Mehrzahl mit mir in der Beur-
teilung der Lage einig waren;: die von mir unternommenen Schritte aber
schienen einigen von ihnen nicht entschieden genug, um der drohenden Ge-
fahr rechtzeitig zu begegnen.
Ich setzte alle meine Hoffnungen auf den Prinzen Friedrich Karl.
Am Nachmittag wurde die Arbeit an dem Material fortgesetzt, das ins
Hauptquartier mitgenommen werden sollte. Ich bringe die Dokumente
der Reihe nach, wie sie entskanden sind. An der einen oder anderen Stelle
kommt Simons' persönliche Meinung zu Wort, nicht die meine; so, wenn
er für Preußen die Regentschaft, für das Reich die Reichsverweserschaft
in Vorschlag bringt. Ich trug ihm noch auf, unterwegs Anderungen vor-
zunehmen. Dem Kaiser waren nur die beiden Aufrufe „An das Volk“
1 Diese Auffassung wurde mir in den nächsten Tagen bestätigt.
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