für eine solche Zuversicht gegeben waren, warum hatte dann der Admiral
Scheer alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die Einstellung des U. Boot-=
krieges zu verhindern? Er hätte sie vielmehr for dern müssen: denn erstens
konnte der U. Bootkrieg nicht rasch genug wirken, um das Schicksal des
Krieges noch zu wenden; zweitens war sein Aufhören Vorbedingung für
die Entscheidungsschlacht, denn er band einen guten Teil der Hochseeflotte,
und die U. Boote wurden bei dem geplanten Vorstoß gebraucht.
Ich gebe aber zu: wenn die Entscheidungsschlacht einmal beschlossene
Sache war, so war es flicht der Flottenleitung, sich zum sicheren Glauben
an den Sieg hinaufzustimmen. Wenn ich nun auch dieser Hochstimmung
gegenüber nüchtern geblieben wäre, so hätte ich doch dem Grundgedanken
des Marineunternehmens zugestimmt, und zwar aus den folgenden Er-
wägungen heraus:
Wurde der Sieg erfochten — und das war nicht unmöglich bei unserer
Führung, der Schulung der Mannschaft und der A#berlegenheit unseres
Materials —, dann war dem bedrängten Heere und der mit täglich
steigender Angeduld leidenden Heimat ein gewaltiger Auftrieb zum Durch-
halten gegeben. Nach einem deutschen Flottensiege wären Nevolution
und Kapitulation am 9. und 11. November nahezu eine seelische Un-
möglichkeit geworden.
Wenn aber unsere Flotte eine ruhmreiche Niederlage erleiden, ja wenn
wirklich ihre letzte Fahrt die Todesfahrt sein würde, so war dennoch die
militärisch-politische Zweckmäßigkeit unbedingt zu bejahen. Von der
Opfertat würde eine beschämende Kraft ausgegangen sein, der sich auch
viele Treulose und Verzagende in der Heimat nicht hätten entziehen können.
Man hat mit Recht an die Thermopylen erinnert.
Ich stelle fest: das Mißtrauen der Marine war nicht gerechtfertigt.
Allerdings — wenn Admiral Scheer mir vertraut und mich in den ge-
waltigen Plan eingeweiht hätte, so glaube ich, daß ich meine flicht als
Kanzler getan und ihn beschworen haben würde, nicht auf eigene Faust
nationale Verteidigung zu machen, sondern erst zu schlagen, nachdem wir
über die Waffenstllstandsbedingungen öffentliche Klarheit hätten. Denn
erst damit wäre das Vertrauen zu Wilson als grausame Täuschung nach-
gewiesen worden, vor dem ganzen Volke, insbesondere aber vor den Ma-
trosen, die schon seit 1917 als infiziert gelten mußten, und die nun ihre
kühnste und gefährlichste Anternehmung durchführen sollten.
Wenn heute die Marine die Verräter und Meuterer in ihren Reihen
brandmarkt, so sage ich: sie hat recht. Die Aufrührer auf der Flotte haben
der nationalen Verteidigung das Rückgrat gebrochen. Aber die Admirale
von damals dürfen diese Anklage nicht erheben. Ehe der Feldherr die Ent.
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