Gegen Mittag kamen, wie verabredet, die sozialdemokratischen Partei-
führer und Gewerkschaftler in die Reichskanzlei, um sich mit dem General
Gröner auszusprechen: Scheidemann, Bauer, Legien, Robert Schmidt,
David, Südekum, Ebert waren erschienen — Haeften wohnte de Anter-
redung bei.! Vom ersten Augenblick — so wurde mir berichtet — war das
alte Vertrauen da. Es war, als wollten die Herren sagen: Wir, die Ar-
beiterführer und der General, haben schon einmal im Interesse des Landes
unsere Bundesgenossenschaft bewährt. Wir sind gekommen, um sie in dieser
Stunde zu erneuern. Grönee ist unsere lehte Hoffnung; wenn er sich ver-
sagt, ist der Staat verloren.
Zu Anfang gab es einen kleinen Zwischenfall, den ich erwähne, weil
er im Guten wie im Schlechten bezeichnend ist für das Verhältnis der
Parteigenossen zu dem in die Regierung delegierten Führer. Scheide-
mann wurde ans Telephon gerufen. Da sagte der Abgeordnete Südekum
in lautem Flüsterton: „Ruhig, Philipp regiert.“
Ebert sprach zuerst:
„Es sei jetzt nicht Zeit, nach den Schuldigen des allgemeinen Zu-
sammenbruchs zu suchen. Die Stimmung des Volkes schöbe dem Kaiser
die Schuld zu, ob mit Recht oder Unrecht sei gleichgültig. Die Haupt-
sache sei, daß das Volk die vermeintlichen Schuldigen von ihren Plätzen
entfernt sehen wolle. Daher sei die Abdankung des Kaisers, wenn man
den Abergang der Massen in das Lager der Revolutionäre verhindern
wolle, notwendig. Er schlug vor, daß der Kaiser spätestens morgen
seine Abdankung bekanntgebe und einen seiner Söhne, Oskar oder
Eitel Friedrich, mit seiner Vertretung beauftrage. Der Kronprinz sei
jetzt unmöglich, da er bei den Massen zu verhaßt sei.“
Gröner sagte kurz und scharf:
Von einer Abdankung könne nicht die Rede sein; jezt, wo die Armee
in schwerem Ringen mit dem Feinde stehe, sei es unmöglich, ihr den
Obersten Kriegsherrn zu nehmen. Die Interessen der Armee müßten
allen anderen vorangestellt werden. Er lehne es daher auf das aller-
entschiedenste ab, in der Abdankungsfrage irgendeinen Schritt zu unter-
nehmen oder dem Kaiser derartiges vorzutragen.
Oavid und Südekum drangen auf Gröner ein:
Sie seien keine Gegner der Monarchie an sich, und dieser Schritt
würde in keiner Weise die Abschaffung der Monarchie in Deutschland
1 Uber diese Besprechung erstattete mir Haeften mündlich Meldung; er hat
mir auf meinen Wunsch darüber auch einen schriftlichen Bericht vorgelegt.
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