Der Staatssekretär des Reichsmarineamts regte an, die Bildung von
Bürger- und Bauernwehren beschleunigt ins Werk zu setzen — das sei
vielleicht das einzige Mittel, um den inneren Zusammenbruch zu verhindern.
Das Militär allein werde der sich schnell ausbreitenden Bewegung kaum
Herr werden — so sagte Ritter v. Mann, der noch gestern mit großer
Macht in Kiel eindringen wollte. Ich beraumte für den nächsten Morgen
eine Sitzung im Reichsamt des Innern an, um über den Mannschen Vor-
schlag eine rasche Verständigung zwischen den beteiligten Staatsbehörden
berbeizuführen. Schon vorher sollte eine entsprechende Weisung an die
Regierungspräsidenten PDreußens telegraphisch gegeben werden.
Gegen Abend wurde mir die Entschließung der Sozialdemokraten vor-
gelegt. Das AUltimatum war gerade noch hintangehalten worden, aber nur
mit knapper Not:
„Fraktion und Darteiausschuß fordern, daß der Waffenstillstand ohne jeden
Verzug durchgeführt wird. Die Fraktion und der Parteiausschuß fordern weiter
die Amnestie für militärische Bergehen und Straffreiheit für Mannmschaften, die
sich gegen die Disziplin vergangen haben. Sie fordern die unverzügliche Demo-
kratisierung der Regierung sowie der Verwaltung Preußens und der anderen
Bundesstaaten. Die Reichstagsfraktion und der Darteiausschuß beauftragen
die Parteileitung, dem Reichskanzler mitzuteilen, daß Fraktion und Dartei-
ausschuß den von der Parteileitung in der Kaiserfrage unternommenen
Schritt entschieden billigen und unterstützen und eine schnelle Regelung dieser
Frage erwarten.“
Gröner war auf dem Wege ins Hauptquartier; er war nicht gesonnen,
den Kaiser in meinem Sinne zu beraten. Jeden Tag konnten die Be-
dingungen des Waffenstillstands eintreffen. Wir hatten den Aufruhr
im Lande, und die revolutionäre Anruhe wuchs von Stunde zu Stunde:
„Der Kaiser will sich nicht opfern“, das war der Schlachtruf derer, die den
umsturz betrieben. Wann würden die Mehrheitssozialdemokraten ihn auf.
nehmen?
Die Situation schien wahrhaft verzweifelt, aber ich mußte mir sagen:
noch war das Legzte nicht versucht. Der Kanzler mußte zum Kaiser sprechen.
Ich faßte den Entschluß, morgen ins Hauptquartier zu reisen.
Vorher wollte ich zwei führende Männer der Sozialdemokratie ein-
weihen und sie fragen, ob sie mir noch ein paar Tage lang Ruhe im Rücken
schaffen könnten. Ich wählte zwei Persönlichkeiten, für die es in Augen-
blicken nationaler Gefahr arteirücksichten nicht gab, Ebert und David.
Ich hoffte, sie zu binden, daß sie mir das ultimative Drängen ihrer Partei
fernhielten, solange ich im Hauptquartier sein würde.
Ich hielt meine Aufgabe in Spa nicht für hoffnungslos. Seit Sonntag
hatte ich über eine Lösung nachgedacht, die es dem Kaiser ersparen würde,
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