Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

Aus Schwerin kommt die Nachricht, die vom mecklenburgischen Ge- 
sandten bestätigt wird, daß die Zivilregierung so gut wie ausgeschaltet ist. 
Am unheimlichsten sind die Meldungen aus Hannover: die Stadt ist 
von zugereisten Marinemannschaften überrumpelt worden. Dort war nicht, 
wie an anderen Orten, der „militärische Apparat wie von einer Lähmung 
befallen“ gewesen. Der General v. Hänisch, ein Mann von vorbildlicher 
Tatkraft, hatte es auf eine Kraftprobe ankommen lassen. Ein energischer 
Angriff treugebliebener Ersatztruppen war gegen den von Matrosen be- 
setzten Bahnhof befohlen und ausgeführt worden — aber ger scheiterte 
glatt“. Die letzte Depesche sagte, daß der Kommandierende General selbst 
gefangen sei. Aus Hannover rollten Züge mit Aufständischen heran. 
Der Eisenbahnminister verabredete sogleich mit den Militärbehörden 
die Gegenmaßnahmen: die Bahnlinien von Hamburg und Hannover 
sollten an mehreren Stellen unterbrochen werden; der Lehrter Bahnhof 
wurde mit starken Druppen belegt. 
Der Dolizeipräsident von Berlin berichtete, daß für heute ein „um- 
fängliches“" Vorgehen geplant gewesen sei: die Absicht habe bestanden, 
sich der Gefängnisse und des Dolizeipräsidiums zu bemächtigen. Aber 
bisher sei nichts geschehen: die Anabhängigen seien offenbar durch den 
Abtransport Joffes in eine gewisse Natlosigkeit versetzt worden. Er ver- 
sicherte, daß für Berlin die umfassendsten polizeilichen und militärischen 
Maßnahmen getroffen seien, unter anderem seien fünf von den Unab- 
hängigen einberufene Versammlungen verboten worden. 
Aus den Berichten über den bisherigen Verlauf der revolutionären 
Bewegung sprang für die Zuhörer die Gewißheit heraus: 
Die Ersatzformationen sind — jedenfalls in der Provinz — ihrer Auf- 
gabe nicht gewachsen. 
Der Staatssekretär des Innern setzte sich nun stark für Manns Vor- 
schlag ein, Bürgerwehren zu schaffen. Eisenbahnminister v. Breitenbach 
unterstützte ihn: Ratürlich würden derartige Organisationen den Meu- 
terern und Arbeiter- und Soldatenräten dort, „wo das Anglück schon 
passiert sei", nicht auf den Leib rücken können. Aber die Bürgerwehren 
sollten sich die Aufgabe stellen, das Abergreifen der Bewegung auf bisher 
unberührte Orte, namentlich kleinere Städte und das platte Land, zu 
verhüten. 
ODa begehrten die Gesandten der besonders bedrohten Länder auf: der 
banseatische Gesandte, der von Mecklenburg und der von Braunschweig. 
Die Wehren könnten die militärischen Machtmittel wohl ergänzen, aber 
nie und mmmer ersetzen, auch nicht dort, wo es sich nur darum handelte, 
vorzubeugen. 
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