gegenzustemmen. Ich legte mir in dieser Nacht den Hergang folgender-
maßen zurecht: Die Worte, die man dem Kaiser zuschrieb, „ich weiche nur
der Gewalt“, hatten weitergearbeitet. Scheidemanns Temperament, immer
schwer zu zügeln, wenn er Revolutionsluft witterte, war aufgeschreckt
worden durch die Nachrichten aus dem Lande, durch militärische Maß=
nahmen auf dem Lehrter Bahnhos, überhaupt durch die ganze Spannung,
die über Berlin lag.
Eberts vertrauliche Eröffnung wird bei ihm nicht Beruhigung, sondern
Kränkung hervorgerufen haben, vielleicht sogar den Wunsch: nicht der
rinz, sondern die Partei soll es sein, die den Kaiser zur Abdankung bringt.
Ausschlaggebend aber war sicher das Gefühl: wir haben die Massen ver-
loren, wenn wir nicht sofort etwas in ihrem Geiste unternehmen. Unter
seinem Einfluß wird dann wohl auch Ebert der Panik erlegen sein, und er
griff nach der revolutionären Geste, um die Revolution zu verhüten.
Ich habe in dieser Nacht manchen Zweifel niederhalten müssen, aber
aus allen Dberlegungen löste sich immer wieder die Gewißheit heraus:
Wir haben keine Wahl, sondern müssen an der Hoffnung
auf die Mehrheitssozialdemokraten festhalten.
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