Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

„Wir denken nicht daran, die Republik einzuführen, weil wir zwar 
Republikaner, aber auch Demokraten sind, und nicht die Ansicht 
einer Minderheit der Mehrheit aufdrängen wollen.“ 
Ich erfahre, daß Ebert die Frist bis zum Sonnabend Vormittag (9. No- 
vember) verlängert und am 8. November einen Aufruf an die Arbeiter 
erlassen hat, darin er sie beschwört, noch wenige Stunden Geduld zu haben. 
„Arbeiter! Darteigenossenl 
Ein Teil der gestern von uns aufgestellten Forderungen ist von der Regierung 
und den Mehrheitsparteien erfüllt worden. Das gleiche Wahlrecht für Preußen 
und alle Bundesstaaten auf Grundlage der Verhältniswahl soll ohne Verzug 
durch AReichsgesetz eingeführt werden. Die sofortige Darlamentarisierung 
der preußischen Regierung ist gesichert, ebenso die Verstärkung des 
sozialdemokratischen Einflusses in der Reichsregierung. Die Einbe- 
rufungen zum Militär sind rückgängig gemacht. 
Noch nicht erledigt ist die Kaiserfrage. Ansere Forderung auf sofortigen Rück- 
tritt des Kaisers und Verzicht des Kronprinzen wurde aufgestellt unter der 
Voraussetzung, daß der Waffenstillstand beute mittag abgeschlossen sein würde. 
Diese Voraussetzung hat sich nicht erfüllt, weil die deutsche Delegation infolge 
äußerer Hindernisse heute vormittag im feindlichen Hauptquartier nicht eintreffen 
konnte.1 Der Abschluß des Waffenstillstandes würde aber gefährdet 
durch unseren Austritt aus der Regierung. Deshalb haben Partei- 
vorstand und Reichstagsfraktion die gestellte Frist bis zum Abschluß des 
Waffenstillstandes verlängert, um erst das Aufhören des Blutvergießens 
und die Sicherung des Friedensschlusses herbeizuführen. 
Sonnabend Vormittag treten die Vertrauensmänner der Arbeiter erneut zu- 
sammen. Arbeiter, Parteigenossen! Es handelt sich also nur um einen Auf- 
schub von wenigen Stunden. Eure Kraft und Eure Entrschlossenheit verträgt 
diesen Aufschub.“ 
Im Laufe des Nachmittags reichte der Generaloberst v. Linsingen seine 
Entlassung ein, verletzt durch eine Einmischung des Kriegsministers. Lin- 
singen hatte der Inspektion der Fliegertruppen Befehl gegeben, Flug- 
zeuge gegen Eisenbahnzüge mit Matrosen anzusetzen, die auf Berlin los- 
führen. Die Inspektion war selbst unsicher und suchte beim Kriegsminister 
eine erneute Entscheidung nach. General Scheüch entschied gegen Linsingen. 
Maßgebend war für den Kriegsminister, daß der Kommandierende General 
der Luftstreitkräfte v. Höppner am 31. Oktober 1918 vor der Verwendung 
von Flugzeugen gewarnt hatte bei allen Unternehmungen, bei denen es 
nicht möglich war, Freund und Feind zu unterscheiden. Die Situation 
1 Die erste Begegnung mit Foch fand am Vormittag des 8. November statt. 
: Militärwochenblatt Nr. 6, 107. Jahrgang (5. August 1922), S. 93 (Spruch 
eines freiwilligen Ehrengerichts vom 7. Juli 1922 über den Generalleutnant, Kriegs- 
minister a. O. Scheüch): „.. Die Verwendung von Flugzeugen zur Bekämpfung 
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