Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

jetzt täglich in der englischen Presse erscheinen, besonders auf den Bericht 
des amerikanischen Nahrungsmittelsachverständigen Zuckermann („Man- 
chester Guardian“ vom 9. Mai) über das Massaker in Pinst, das die 
lokalen Behörden begünstigten und die Regierung straflos ließ. 
Den Friedensvertrag verwirklichen, heißt die Pogromgrenze und die 
Balkangrenze weit nach Westen vortragen. 
II. 
Vor die Frage gestellt, welches ist die echtere Ausführung des Wilson- 
Drogramms? der Versailler Vertrag oder der deutsche Gegen- 
vorschlag? — es gibt wohl keinen aufrichtigen und unterrichteten Men- 
schen in der ganzen Kulturwelt, der wegen der Antwort im Zweifel sein 
könnte. 
Graf Brockdorff-Rangau tat recht daran, sofort die Grenzen unserer 
Konzessionen anzugeben und nicht die Methode der alten Diplomatie zu 
befolgen, sich erst Zugeständnisse abringen zu lassen. 
Wir sollen uns nicht täuschen über die furchtbaren Opfer, die uns unser 
Gegenvorschlag auferlegt. Sie bedeuten den Zusammenbruch der stolzen 
Erwartungen, die uns als aufstrebendes Volk während der letzten Jahr. 
zehnte vor dem Kriege begleitet haben. Aber wir können diesen Gegen- 
vorschlag zeichnen und dabei doch als Nation leben. 
Es darf nie vergessen werden, daß unsere Bereitschaft, die ungeheuren 
finanziellen Lasten zu tragen, an die Bedingung geknüpft ist, daß wir Kolo- 
nien behalten, Schiffahrt treiben und keine territorialen Schwächungen er- 
leiden, die jenseits der 14 Dunkte liegen. 
Ich halte die Wiederherstellung des Wilson-Programms auch heute noch 
für möglich. Zunächst ist in Versailles unleugbar eine Bewegung zu spüren. 
Oarüber lassen die ausländischen Zeitungen keinen Zweifel. 
Die feindlichen Delegationen müssen einen großen Schreck bekommen 
haben, als ihnen zum erstenmal der Vertrag als Ganzes vorlag. Die Zei- 
tungsnachricht verdient beinahe Glauben, daß Graf Brockdorff.Rantzau 
der erste gewesen ist, der den Vertrag hintereinander gelesen hat. 
Die Friedenskonferenz hatte sich offenbar in verschiedene Abteilungen 
aufgelöst. Man hat sie Marterkammern genannt. Der einen wurde 
Deutschlands territoriale Macht, einer anderen Deutschlands Finanzen, 
einer dritten Deutschlands Industrie überantwortet. Man kann nicht leugnen, 
daß jede dieser Kammern sich ihrer Aufgabe mit erstaunlicher Gründlich- 
keit entledigt hat. Aber es fehlte offenbar die ordnende Hand, die eine 
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