Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

Und wenn die feindliche Delegation in Versailles einen Weg sieht, um 
nach einer Ablehnung des Altimatums durch Anwendung ihrer Ge- 
waltmittel irgendeine deutsche Anterschrift zu er zwingen, so würde sie 
diese Gewaltmittel anwenden — unter der Voraussetzung, daß ihre Völker 
ihr diese Machtmittel noch zur Verfügung stellen. 
Hier berühren wir den Kern der internationalen Situation. 
Was will die öffentliche Meinung in Feindesland? Wie stark ist der 
Druck auf die Delegation? 
Oarüber kann kein Zweifel sein: Seit Aberreichung des Friedensver- 
trages bahnt sich ein Amschwung in der Geistesverfassung der Völker an. 
Am die Worte des Präsidenten Wilson zu gebrauchen: Der Gerichtshof 
der Menschheit hat entschieden. 
„Wir sollen betrogen werden,“ das sagt heute nicht nur das deutsche 
Volk. Das sagen Millionen von Neutralen, die ihre innere Neutralität 
aufgegeben und den Sieg der Alliierten herbeigewünscht hatten, weil sie 
Amerika nicht nur die Kraft zu siegen zutrauten, sondern auch die Kraft, 
den Mißbrauch des Sieges zu verhindern. Das sagen die Angehörigen 
von Hunderttausenden in Feindesland, die für einen reinen Frieden, für 
einen clean peace, ihr Leben hergegeben haben. 
In Amerika ist natürlich die Enttäuschung auch groß. Aber gegen den 
Druck derchauvinistischen Leidenschaften trauen sich die sogenannten Wilson- 
Liberalen nicht die Kraft zu, eine Revision des Versailler Vertrages zu 
erzwingen. Sie machen vielmehr Miene, sich mit den Republikanern zu 
einem Rückfall in die Monroe-Doktrin zu verbinden. „We are sick of 
Europe“, das ist das Leitmotiv aller Senatsdebatten. Es ist nicht unmög- 
lich, daß die Republikaner und die Vorkämpfer des Wilson-Friedens ge- 
meinsam den Völkerbundentwurf und die amerikanische Garantie des 
Friedensvertrages zu Fall bringen werden, — die Liberalen mit der Be- 
gründung, daß nach der diplomatischen Niederlage Wilsons durch die 
europäische Diplomatie Amerika nichts Besseres tun könne, als sich an den 
europäischen Angelegenheiten zu desinteressieren. 
Auch in Frankreich steht nicht zu erwarten, daß internationale Ge- 
wissensbedenken einen starken Volkswiderstand gegen den Versailler Frie- 
densvertrag auslösen können. Nur die inneren Drobleme können dort die 
Regierung im gegenwärtigen Augenblick behindern. 
Der Schlüssel zur Lage liegt in der englischen öffentlichen Mei- 
nung. Dort vollziehen sich wichtige Neugruppierungen. Ich stüte mich 
im folgenden auf den Dressebericht der „Heidelberger Vereinigung“: 
1. Die lethzten vier Nachwahlen zum englischen Parlament, die alle un- 
günstig für die Regierung ausfielen, zeigen, daß die Psychose der Khaki- 
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