lich mit den weiteren Völkerrechtsbrüchen umzugehen, die Deutschland im
Schilde führt.
Bernstorff — so meint Noeggerath — kann viel erreichen, wenn der
deutsche Reichskanzler ihm zu Hilfe kommt. Die beiden Schrecknisse der eng-
lischen Holitik: „Embargo“! und Duldung des verschärften U-Bootkrieges
könnten Wirklichkeit werden für den Fall, daß nach einer maßvollen deut-
schen Kriegszielerklärung die Alliierten mit unverminderter Brutalität
den Frieden zurückstoßen würden. Dann haben wir die klare Situation
vor der amerikanischen Offentlichkeit herbeigeführt: der von Wilson,
von der englischen Friedenspartei und von Deutschland als
gerecht anerkannte Friede scheitert an dem bösen Willen der
Alliierten. Wenn Deutschland die am 12. Dezember begonnene politische
Aktion? zu ihrem natürlichen Ende bringt, könnte es möglicherweise sogar
den verschärften U. Bootkrieg erklären, ohne daß Amerika die diploma-
tischen Beziehungen abbricht; allerdings nur unter der Bedingung, daß
er befristet, d. h. von der Zusage begleitet wird: sobald England mit seiner
Blockade in die Grenzen des vorher geltenden Völkerrechts zurückgeht,
hört die Verschärfung des U-Bootkriegs auf.
Rußland außer Gefecht; England zur Höchstleistung unfähig, seine
Kraft, die Bundesgenossen zu halten, entscheidend geschwächt; England
in ernstem Konflikte mit den Vereinigten Staaten. Hier ist ein klarer Weg
zu einem anständigen Frieden oder zum Siege. — Vorbedingung: Vort-
setzung der politischen Offensive und Aufschub des U-Boottkrieges.
Auf der anderen Seite: Wenn die deutsche Regierung sich nicht ent-
schließt, mit dem verschärften U-Bootkrieg zu warten, so bringt sie Amerika
an die Seite der Alliierten, mit seiner unerschöpflichen, unberechenbaren
Kriegskraft. Das ist ein mehr als vollgültiger Ersat für den wahrschein-
lichen Ausfall Rußlands. Dann hat Lloyd George die englische Nation
binter sich für seine Knock-out-Folitik. Das ist der klare Weg zur deutschen
Niederlage.
AMückblickend will es uns scheinen, als ob nur mit Blindheit geschlagene
Menschen die falsche Wahl treffen könnten.3 Der Kanzler hat tatsächlich
1 Vgl. den Bericht von House über ein Gespräch mit Lloyd George vom
2. Juni 1915: „Er erklärte, es würde eine ernste Bedrohung für die Sache der
Alliierten sein, wenn wir die Verschiffung von Kriegsmunition in dieser Zeit unter-
binden würden.“ (House, a. a. O., I, S. 468.)
2 Siehe oben S. 52.
3 Lord Grey, Fünfundzwanzig Jahre Politik, 1862 bis 1916, München 1926, II,
S. 120, urteilt: „Im Lichte der späteren Ereignisse erscheint es klar, daß Deutschland
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