Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

Versuch ebenfalls für geboten, wenngleich er skeptisch über den Erfolg 
dachte. 
Im März 1917 machte ich auf meiner Rückreise in Koburg Station, 
um meine Tante zu besuchen, die Herzogin Marie, Tochter Kaiser Alex- 
anders II. Ich hatte ihr vorher meine Absicht schriftlich mitgeteilt, einen 
Brief an den Zaren zu schreiben, und sie um ihren Rat und um ihre Ver- 
mittlung bei der Beförderung gebeten. Sie war eine kluge, willensstarke 
Frau, die an den Traditionen ihres Vaters festhielt und die russische olitik, 
die zu dem Konflikt mit Deutschland geführt hatte, scharf verurteilte. Als 
ihr RNeffe, König Georg von England, sie bei Ausbruch des Krieges bat, 
Deutschland zu verlassen und sich nach England zu begeben, hatte sie seine 
Einladung dankend abgelehnt mit der Begründung, sie gehöre jetzt nach 
Deutschland. Sie war tief unglücklich über den Krieg, der zwischen ihrem 
Geburtsland und dem Deutschen Reich entbrannt war, und wünschte nichts 
sehnlicher, als zu einem Frieden zwischen den beiden Ländern beitragen 
zu können. Darum hatte sie mir auch ihre AUnterstützung bereitwillig in 
Aussicht gestellt. 
Am Abend des 13. März hatte ich den Brief in seine endgültige Fassung 
gebracht und nachts noch abgeschrieben. Zu Anfang meines Schreibens 
machte ich den Kaiser Nikolaus auf die Gefahren aufmerksam, die bei einer 
Fortführung des Krieges seinem Reich und seiner Dynastie erwachsen 
würden; dann teilte ich ihm die Nachrichten mit, die wir über die Mit- 
wirkung des englischen Botschafters an Amsturzplänen! in Rußland 
hatten, und widerlegte die Legende, die mir in Briefen aus Rußland 
entgegengetreten war, als sei Kaiser Wilhelm einem Frieden mit Ruß- 
land abgeneigt. Schließlich verwahrte ich mich gegen die mögliche Unter- 
stellung, mein Ziel sei, den Zaren von seinen Verbündeten zu trennen. 
Wenn er wirklich den Frieden wolle, so könne er ohne Zweifel den all- 
gemeinen Frieden herbeiführen auf einer Basis, die für alle Beteiligten 
annehmbar wäre. 
Am folgenden Morgen begab ich mich zur Herzogin. Auf dem Tisch 
lagen die Morgenblätter. Die Herzogin forderte mich auf, ihr die Tele- 
gramme vorzulesen. Als ich die erste Zeitung auseinanderfaltete, fiel mein 
Blick auf die Mitteilung von der Abdankung des Zaren. 
Das war ein sehr schwerer Schlag für meine Hläne und auch für mich 
persönlich. Die Fäden zerrissen, die mich mit dem Lande meiner Mutter 
1 Diese Nachrichten waren nicht ganz richtig. Die englische Diplomatie in Rußland 
zielte auf keinen Umsturz, sondern auf eine friedliche Umwälzung zugunsten des 
Dumablocks, in der Befürchtung, daß jede Revolution die russische Kriegsmaschine 
zerschlagen würde. Bgl. Anhang Nr. I. 
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