verbanden. Mannigfache Erinnerungen hingen für mich am Zarenhofe.
Mit dem Zaren selbst war ich von Jugend an befreundet. Ich kannte seine
im Grunde edle Natur, aber auch seine Unfähigkeit, die eigenen guten Im—
pulse gegen fremde Einflüsse zu behaupten. Mit besonderem Schmerz mußte
es mich erfüllen, daß ich nicht mehr in der Lage sein würde, auf das Schick.
sal der deutschen Gefangenen einzuwirken.
Die deutsch-russische BVerständigung war nun zerschlagen. Die neuen
Gewalten würden sicher nicht für sie zu haben sein. Aber mochte auch
Rußlands Kriegs wille stärker denn zuvor aufflackern — seine Kriegs-
kraft war so gut wie erloschen. Die russische Revolution war der Sieg
für Deutschland, wenn jetzt Amerika die Entente nicht aufrechterhielt.
Wenn nun gar die Rechmung der Marine nicht stimmt, dann wird aus der
Erklärung des verschärften U-Bootkrieges eine Wahnsinnstat. Dann
haben wir die Entente gerettet.
Die Vereinigten Staaten erklärten uns am 5. April den Krieg.
Zunächst traf uns die amerikanische Kriegserklärung nicht mit der Wucht,
wie man hätte erwarten sollen. Die Versenkungsziffern der Marine waren
günstig, und die meisten Menschen ließen ihre Hoffnungen hochfliegen —
unter ihnen auch manche, die von bösen Zweifeln und Ahnungen erfüllt
waren; „so wie Kinder pfeifen, die sich im Walde fürchten“, meinte der
Staatssekretär Solf. Auf dem Grunde der Volksstimmung aber wuchs
heimlich das Gefühl: eine überwältigende Abermacht steht gegen uns, viele
Hunde sind des Hasen Tod. Die Auslandspropaganda der Feinde schnellte
empor, sobald Amerika auf die Seite der Alliierten trat, und ich merkte
zum erstenmal, daß sie auch in unser eigenes Volk hineindrang. Zu Anfang
des Krieges hatte man gelacht über die Sprüche von Recht und Menschlich-
keit, die die Alliierten machten, und geglaubt, die ganze Welt müßte so
durchsichtige Heuchelei durchschauen. Im Frühjahr 1917 konnten verein-
zelte, aber bedrohliche Fälle von ansteckender Zweifelsucht festgestellt wer-
den. Nachdem Amerika bei unseren Feinden war, gab es seltsam kon-
struierte Deutsche, die glaubten, die stärkere Sache müsse auch die reinere
sein. Eine abergläubische Furcht wagte sich aus unerwarteten Gegenden
hervor: Verdient Deutschland zu siegen? Ich hatte bis dabin geglaubt, daß
der Kampf für unsere Ehre in erster Linie vor dem neutralen und feindlichen
Ausland ausgefochten werden mußte. Heute sah ich klar: es gilt die Herzen
des deutschen Volkes aufzurichten. Wir müssen erliegen, sowie der Feind
uns so weit bringt, daß wir seiner materiellen Abermacht auch noch mit dem
Gefühl einer moralischen Anterlegenheit gegenüberstehen.
Ich habe damals das Bedürfnis gefühlt, früher oder später öffentlich
Zeugnis für Deutschlands Recht abzulegen. Aber ich sah es zunächst als
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