Full text: Der Geschäftsgang im Bundesrat.

— 97 — 
arbeitung eines neuen Cesetzentwurfs den Chef eines Reichs- 
amtes berauftragt, so tut er das als Reichsminister und Vor- 
gesetzter, und es steht ihm nichts im Wege. Wenn er diese 
Vorlage aber in den Bundesrat einbringen will, so bedarf er 
dazu der Genehmigung der preußischen Regierung und als 
Bevollmächtigter Preußens ihrer Instruktion.??) Ihre Mit- 
wirkung ist also in diesem Falle unbedingt notwendig, vom 
Bundesrate aber, wie schon bemerkt, nicht zu untersuchen. 
Die zweite Frage ist dahin zu beantworten, daß eine 
parlamentarische Verantwortlichkeit des Kanzlers dem Reichs- 
tage gegenüber für seine Geschäftsführung im Bundesrate über- 
haupt nicht existiert. Die Verantwortung für die preußische 
Stimmführung und die Präsidialtätigkeit Preußens im Bundes- 
rate trägt derjenige preußische Minister gegenüber dem preußji- 
en Landtage, dem die Instruierung der preußischen Stimmen 
zusteht, also der preußische Minister der auswärtigen Angelegen- 
heiten. «»» . 
5. Was besonders gegen die Einführung einer kaiserlichen 
Initiative spricht, ist der Umstand, daß dadurch bei Nicht— 
beteiligung des preußischen Ministeriums bei Einbringung der 
Bundesratsvorlagen auch dessen Verantwortlichkeit gegenüber 
dem Landtage hinfällig und damit ein wichtiges Recht der 
preußischen Bevölkerung aufgehoben würde, durch ihre Volks— 
vertretung die preußischen Minister wegen. des Verhaltens 
der Regierung im Bundesrate zur Verantwortung zu ziehen. 
6. Nach dem oben Ausgeführten folgt, daß eine kaiser- 
liche Initiative im Bundesrat nicht besteht, sondern daß die 
sog. Präsidialanträge staatsrechtlich betrachtet preußische An- 
träge sind, die aber auch sowohl innerhalb als außerhalb des 
Bundesrats durchweg als solche betrachtet werden. 33) Zuge- 
geben jedoch sei, daß der Kaiser bei den Präsidialanträgen 
32) Deshalb muß der Reichskanzler auch notwendigerweise, wenn 
auch nicht staatsrechtlich, dem preußischen Ministerium angehören. Vgl.“ 
Laband, Staatsr. I, S. 239, 378, Reichsstaatsr., S. 61 f. A. 3; Graßmann 
im Arch. f. öff. Recht XI, S. 315, 327, 332, 335; Dambitsch, S. 318. 
Dagegen behauptet Preuß a. a. O., S. 446, es bestehe die rechtliche Not- 
wendigkeit, daß der Kanzler zugleich Leiter des preußischen Ministeriums 
sei, was wohl zu weit gegriffen ist. 
33) Vgl. Laband, Jahrb. des öff. Rechts I, S. 15f. 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.