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eine der Initiative sehr ähnliche Wirksamkeit entfaltet, die zur
Vereinfachung des Geschäftsganges der Verwaltung der Reichs—
angelegenheiten wesentlich beigetragen hat.
7. Art. 7 Abs. 2 Reichsverfass. schreibt dem Präsidium
die Pflicht vor, die Vorschläge der Beratung zu übergeben.
Daraus folgt ohne weiteres, daß die Anträge an das Präsi-
dium ) gerichtet sein müssen. Zweifellos haben die Bundes-
glieder nicht das Recht, die sofortige Beratung der Vorschläge
durchzusetzen, auch wenn der Bundesrat, der verfassungsmäßig
nicht permanent ist, nicht versammelt ist, und dadurch eine
Berufung zu erzwingen. Das freie Berufungsrecht des Kaisers
wird durch Art. 7 Abs. 2 nicht berührt.
VI. In Art. 14 und 15 Geschäftsordn. ist die Verhand-
lungsreihenfolge in den Bundesratssitzungen näher bestimmt.
Zu Beginn der Sitzung wird das Protokoll der letzten Sitzung
festgestellt.?5) Hieran schließen sich Mitteilungen und Anträge)
des Reichskanzkers und der von ihren Regierungen dazu be-
auftragten Bevollmächtigten. 30) In der Befprechung der An-
träge und Mitteilungen liegt die Wirksamkeit des Bundesrates
34) Eigentümlicherweise ist hier nicht der Reichskanzler als Bundes-
ratsvorsitzender genannt. Wahrscheinlich setzte die Reichsverfassung als
selbstverständlich voraus, daß der Reichskanzler immer die Präsidial-
stimme führe.
35) § 14 Geschäftsordn. f. d. Bundesrat.
36) Dieses hier bezeichnete Antragsrecht des Reichskanzlers ist aber
nicht als Initiativrecht aufzufassen (so Perels, Stellv. Bevollm., S. 255),
da Initiattve die Befugnis ist, „einem gesetzgeberischen Willen in Antrags-
form Ausdruck zu verleihen“ (v. Rhein, S. 5), in § 15 Geschäftsordn. jedoch
nur von Anträgen über die geschäftliche Behandlung eines Gegenstandes
die Rede ist. Vgl. hierzu Fürst Bismarck in der Reichstagssitzung vom
26. März 1884, Sten. Ber., S. 224: „Ich kann Anträge im Bundesrat nur
auf Veranlassung S. M. des Kaisers, resp. Königs von Preußen, stellen,
je nach dem sie geschäftsleitende Anträge des Reichskanzlers oder gewöhn-
liche Anträge sind, die jedes Mitglied stellen könnte.“
37) Im allgemeinen werden die Anträge der Einzelstaaten von ihren
Bundesratsvertretern dem Reichskanzler schriftlich übergeben, um von diesem
auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung gebracht zu werden. Eine Aus-
nahme besteht für die im Lause der Diskussion eines auf die Tagesordnung
gesetzten Gegenstandes sich ergebenden Anträge, die ohne besondere Forma-
litäten eingebracht werden können. & 9 , Abs. 1 Geschäftsordnung für den
Bundesrat.)