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änderndes Reichsgesetz zustimmen. Es ist möglich, daß landes-
gesetzlich zur Verzichtserklärung auf ein Soynderrecht die Zu-
stimmung der Landesvertretung erforderlich ist, was aber für
die Abstimmung im Bundesrate keine Wirkung ausübte.75o) Es
kommen hier dieselben Grundsätze zur Anwendung, wie sie schon
früher bei der Einwirkung der einzelstaatlichen Landtage auf
die Instruktion der Bevollmächtigten erwähnt worden sind.
Auch für die Aufhebung eines jeden verfassungsmäßigen
Sonderrechts ist, abgesehen von der Zustimmung des einzelnen
Gliedstaates, ein verfassungsänderndes Reichsgesetz mit der
qualifizierten Mehrheit des Art. 78 Abs. 1 notwendig. .)
Einige Schriftsteller sind der Ansicht, daß Art. 78 Absf. 2
keine Ausnahme von dem Majoritätsprinzip der Beschlüsse im
Bundesrats bilde, da eine derartige Zustimmmg des Bundes-
staates zu dem verfassungsmäßigen Mehrheitsbeschluß hinzu-
trete und neben diesem selbständig cristicrc. /
75) A. A. Zorn, Staatsr. I. S. 181. — Vgl. dagegen die Ausfüh-
rungen des Abg. Lasker in den Sitzungen am 5. und 7. Dezember 1870,
Sten. Ber., S. 85 und 133, die Antwort Delbrücks, Sten. Ber., S. 134.
Vgl. ferner der bayerische Staatsminister v. Lutz im Reichstage am 20. Nov.
1871, Sten. Ber., S. 378: „Abg. Greil legt sich diese Bestimmung dahin
aus, daß unter der Zustimmung des betr. Staates die Zustimmung der
sämtlichen gesetzgebenden Faktoren desselben gemeint sei. — — — Dem
gegenüber habe ich zu erklären, daß die bayerische Regierung diese Auf-
fassung nicht hat, und ich meines Ortes — ich bin berechtigt dies ausen-
sprechen, nachdem ich bei Abfassung der Verträge einigermaßen beteiligt
gewesen, ich kam noch beifügen, daß es auch niemals die Absicht der Kon-
trahenten gewesen ist, den betr. Bestimmungen eine solche Bedentung
unterzulegen.“ In demselben Sinne äußerte er sich in der Sitzung der
bayer. Abg.-Kammer vom 16. Deg. 1871, Stenu. Ber., S. 112. Vgl. ferner
die Worte des württ. Ministers v. Mittnacht im Reichstage am 22. Nov.
1871, Sten. Ber., S. 424. Derselbe in der württ. Abgeordn.-Kammer am
8. Februar 1872. Der hier vertretene Standpunkt ist schon oben begründet
worden, sodaß hier nur noch festgestellt zu werden braucht, daß auch bei
Aufgabe von Sonderrechten reichsgesetzlich die Zustimmung der gesetzgeben-
den Faktoren in den Einzelstaaten ohne Belang ist, landesgesetzlich dagegen
eine dahinzielende etwaige Bestimmung eine Wirkung wohl ausguüben im-
stande ist.
76) A. A. Hänel, Staatsr., S. 780 f.; v. Jagemann, S. 238.
77) So Laband, Staatsr. I. S. 283 f.; Seydel, Jahrb. III, S. 283.
A. A. v. Mohl, S. 236; Schulze, Lehrb. II, S. 66.