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Art. 17 Reichsverf. ist der Reichskanzler auch Reichsminister
und vertritt als solcher die Ansichten der kaiserlichen Regierung.
Falls er nun als auszerpreußischer Bevollmächtigter nach den
Instruktionen seiner Regierung abstimmen müßte, dann könnte
der Fall eintreten, daß er damit mit der Abstimmung der
preußischen Bevollmächtigten, die vom König von Preußen und
damit auch vom Kaiser instruiert sind, kollidiert.
. k. Politisch notwendig ist es auch, daß der Reichskansler
(leitender) preußischer Minister ist, damit er nicht als Reichs-
minister von einem einzelstaatlichen Ministerium Instruktionen
empfängt, woran er nicht selbst mitgewirkt hat und dadurch
von diesem abhängig wird.#1)
u. Aus den angegebenen Gründen folgt, daß der Reichs-
kanzler oder Bundesratsvorsitzende zugleich (nicht als solcher)
preußischer Bevollmächtigter sein muß, was auch wieder Hensel,)
der ja auch das Erfordernis der Mitgliedschaft des Reichskanzlers
im Bundesrate in Abrede stellt, bestreitet. 2.) Er erklärt, daß
21) Laband, Staatsr. I, S. 378; Graßmann im Archiv für öffentl.
Recht XI, S. 334 f.; Seydel, Komm., S. 178; Bauer, S. 11; Fürst Bis-
marck im Reichstage am 5. März 1878, Sten. Ber., S. 342: „Darauf trat
auch die von mir sofort erkannte Notwendigkeit ein, daß der Reichs-
kanzler und der preußische Ministerpräsident ein und dieselbe Person sein
müßten.“
22) Hensel, Annalen d. D. Reiches 1882, S. 23 f., Thudichum, S. 130;
Dambitsch, S. 316 f. Dagegen Schulze, Lehrb. II, S. 91; v. Kirchenheim,
S. 312; Hänel, Stud. II, S. 26 f.; Rosenberg, S. 11 f.; Proebst, S. 69;
Fischer, S. 143; Anschütz, Enz., S. 548; Herwegen, S. 49; Arndt, Staatsr.,
S. 97, Komm. zu Art. 15, Nr. 1; Graßmann im Arch. für öff. Recht XI,
S. 332 f.; Bauer, S. 10: Seydel, Komm., S. 169, Krit. V. J. Schr. V,
S. 273 f.; Meyer, Lehrb., S. 433; Zorn, Komm. zu Art. 15, Nr. 1; Preuß.
Zeitschr. für die ges. Staatsw. XIV, S. 433, 445 f. Recht zu geben ist in-
dessen Hensel, Hirths Ann. 1882, S. 11 gegenüber Hänel und Schulze mit
seiner scharfen Scheidung zwischen der Führung der Präsidialstimme und
des Bundesratsvorsitzes. Erstere steht als die Stimme des Bundespräsi-
diums immer Preußen zu.
23) Zweifelhaft Bismarck in der Reichstagssitzung vom 24. Jan. 1882:
„Der Reichskanzler hat den Vorsitz, aber wenn es Seine Maoajestät der
Kaiser nicht für gut findet, einen der preußischen Bevollmächtigten im
Bundesrat zum Reichskanzler zu ernennen, weil vielleicht keiner derselben
ihm dazu geeignet erscheint, dann ist es sehr fraglich, ob der Reichskanzler
hier das Vergnügen haben kann, zu reden.“