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Der Reichskanzler hat als Bundesratsvorsitzender auch die
von diesem gefaßten Beschlüsse auszufertigen und die zur Aus—
führung derselben erforderlichen Verfügungen zu treffen."") So
hat er dafür zu sorgen, daß die Bundesratsverordnungen, die
für das Publikum Rechte und Pflichten erzeugen, und nicht
allein für den Innendienst der Behörden ergangen sind, zur
allgemeinen Kenntnis gelangen. Hensel) äußert sich hierüber
folgendermasen: „Infolgedessen hat der Reichskanzler die Be-
schlüsse des Bundesrates im Reichsgesetzblatt bezw. Bentralb latt
für das Deutsche Reich zu verkünden und die betreffende „Ve—
kanntmachung" zu unterzeichnen. Es finden sich jedoch im
Zentralblatt mehrere Bundesratsbeschlüsse verkündet, welche
vom Reichskanzler nicht unterzeichnet sind, überhaupt gar
keine Unterschrift haben. Derartige Bekanntmachungen können
als gültige nicht betrachtet werden und sind ohne jede ver—
bindliche Kraft.“ Eine bestimmte Form ist in der Verfassung
nicht ausdrücklich vorgeschrieben. Trotzdem ist es zweifellos,
daß, weil der Reichskanzler das Zustandekommen der Bundes-
ratsbeschlüsse zu prüfen hat und er die Verantwortung dafür
trägt, er auch die Unterzeichnung vornehmen muß. Dies ist
auch in dem § 27 Geschäftsordn. mittelbar enthalten. 0)
Außer dieser geschäftsleitenden Tätigkeit des Reichskanzlers
im Bundesrate erstreckt sich sein Geschäftskreis auch auf die
Verwertung seines politischen Einflusses zwecks Ausgleichung
der auseinanderstrebenden einzelstaatlichen Interessen mit dem
Bestreben, die partikularistischen Tendenzen zugunsten der Reichs-
interessen einer Verständigung entgegenzuführen. «
Die Wirksamkeit des Reichskanzlers inbezug auf die
Sitzungen des Bundesrats sowie auf den Verkehr zwischen
Bundesrat und Reichstag ist später zu untersuchen.
II. „Der Reichskanzler kann sich durch jedes andere Mit—
glied des Bundesrates vermöge schriftlicher Substitution ver—
38) § 27 Geschäftsordnung für den Bundesrat. Soweit nicht der
Reichskanzler selbst als Reichsminister die zuständige Vollzugsbehörde ist,
was meistenteils der Fall sein wird, muß er die Bundesratsbeschlüsse an
die hierfür kompetente Stelle übermitteln.
89) Hensel, Annalen des Deutschen Reichs 1882, S. 18.
40) Vgl. auch Zorn, Staatsr. I, S. 492.