Full text: Der Geschäftsgang im Bundesrat.

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und Reichotag gegenüber allein verantwortlich. Diesem Übel— 
stunde suchte das vorgenannte Reichsgesetz abzuhelfeu. Auch 
erklürte Fürst Bismarck im Reichstage,"6) daß durch das Stell- 
vertretungogeset die streitig gewordene Frage entschieden werden 
sollte, ob der Reichskanzler gemäß Art. 15 Abs. 2 das Recht 
habe, sich auch für seine außerbundesratlichen Geschäfte einen 
Stellvertreter zu bestellen ) und ob der Kaiser bei denjenigen 
Akten, für welche die Gegenzeichnung des Reichskanzlers er- 
forderlich war, sich bei dessen Verhinderung eines Stellver- 
treters bedienen könnte. ) Zugleich hat man dann auch die 
Vertretung des Reichskanzlers im Bundesrate geregelt. 
a. Das Stellvertretungsgesetz sieht einen Generalstellver- 
treter (Vizekanzler) „allgemein für den gesamten Umfang der 
Geschäfte und Obliegenheiten des Reichskanzlers“ und Spezial-, 
Ressortstellvertreter vor.4o) Dadurch ist klar ausgedrückt, daß 
das Stellvertretungsgesetz sich auch auf den Vorsitz im Bundes- 
rate bezieht. 5o) Allerdings läßt das Gesetz gemäß § 4 den 
Art. 15 Reichsverfass. unberührt. Diese Vorschrift soll aber 
nicht bedeuten, daß außer dem vom Reichskanzler bestellten 
Vertreter niemand den Vorsitz im Bundesrate führen könne, 
  
46) Sitzung vom 5. März 1878, Sten. Ber., S. 342 f — Bejahend 
äußert sich ebenfalls Joel in Hirths Ann. 1878, S. 402 f. Die Beantwor- 
tung dieser Frage geht über den Rahmen der Abhandlung hinaus. 
47) In der Praxis substituierte der Reichskanzler mit kaiserlicher Ge- 
nehmigung. (Vgl. die Vertretung durch den Präsidenten des Reichskanzler= 
amtes am 17.5. 1872 und durch den Staatssekretär des Auswärtigen Amtes 
am 11. 4. 1877 für die inneren bezw. auswärtigen Angelegenheiten) und 
formeller Anzeige an den Reichstag. Auf jeden Fall kam Art. 15, Abs. 2 
Reichsverf. nicht rein zur Anwendung, indem die Genehmigung des Kaisers 
hinzutrat. . —- 
48) Manche sprachen dem Kaiser auf Grund seines Rechtes, den Reichs- 
kanzler zu ernennen und zu entlassen, die Befugnis zu, bei Verhinderung 
des Reichskanzlers demselben einen verantwortlichen Stellvertreter zu be- 
stellen. (Vgl. Abg. Windthorst in der Reichstagssitzung vom 13. April 1877, 
Sten. Ber., S. 427 und am 5. März 1878, Sten. Ber., S. 337.) 
49) § 2 St. V. Ges. 
50) A. A. v. Seydel, Komm., S. 170, (vgl. dagegen Jahrb. III. S. 
293 f.); Zorn, Staatsr., S. 162, 264 f.; Arndt, Staatsr., S. 686, A. 2; 
Rosenberg, S. 38, 44 f.; Bauer, S. 41; Loening, S. 120; zweifelhaft: 
Smend in Hirths Ann. 1906, S. 329.
	        
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