Full text: Der Geschäftsgang im Bundesrat.

— 37 — 
2. Das Schlußprotokoll zu dem Vertrage betr. den Bei— 
tritt Bayerns zur Verfassung des Dentschen Bundes) vom 
23. November 1870 Nr. IX sagt: „Der Königlich Preunische 
Bevollmächtigte erkannte es als ein Recht der Banuerischen 
Negierung an, daß ihr Vertreter im Falle der Verhinderung 
Preußens den Vorsitz im Bundesrate führe.““1) Damit ist be- 
stimmt, daß der Reichskanzler sich zwar durch einen anderen 
preußischen Bevollmächtigten vertreten lassen kann, daß er aber 
nicht unter Ubergehung Bayerns den Vertreter eines anderen 
Staates substituieren darf. ) Darin liegt die Bedentung der 
Vorschrift, daß der Vorsitz bei Verhinderung Preußens“ an 
Bayern, und nicht an einen anderen Einzelstaat fällt.“) 
a. Wenn nun auch kein bayerischer Vertreter vorhanden 
ist, tritt § 15 Abs. 2 Reichsverf. wieder ohne alle Einschränkung 
in Kraft. 
  
60) B. G. Bl. 1871, S. 23. 
61) Die Bestimmungen des Schlußprotokolls sind durch § 3 des Ge- 
setzes betr. die Verfassung des D. Reichs vom 16. April 1871 (R. G. Bl. 
S. 63) für aufrechterhalten erklärt worden. 
62) Laband, Staatsr. I, S. 279; v. Seydel, Komm., S. 169; v. Rönne, 
Staatsr. I, S. 207; Arndt, Staatsr., S. 97. 
63) Eine Verhinderung Preußens kann m. E. nicht aus Art. 7, Abs. 4 
oder Art. 76, 77 hergeleitet werden, da vielleicht praktisch, aber nicht staats- 
rechtlich Preußen am Vorsitze verhindert ist. Man muß hier scharf zwischen 
Vorsitz und Stimmführung scheiden. Auch wo Preußen an letzterer ver- 
hindert ist, braucht dies doch nicht bei der formalen Tätigkeit des Vorsitzes 
der Fall zu sein. Im übrigen ist bei Art. 76, 77 Preußen nicht einmal 
von der Stimmführung, also noch weniger vom Vorsitze ausgeschlossen. 
Demnach kann in den genannten Fällen von einer Verhinderung Preußens 
nicht die Rede sein, woraus sich die Konsequenz für die Vertretung Bayerns 
von selbst ergibt. (A. A. Dambitsch, S. 326.) 
64) Damit ist die spottende Bemerkung des Abg. Windthorst am 
5. Dez. 1870, Sten. Ber., S. 80 hinfällig, der ironisch fragte, wann Preußen 
denn verhindert sei? Wenn der Bundeskanzler nicht da sei? Dann sicher 
nicht. Oder wenn alle preußischen Mitglieder verhindert seien? „Dann 
kommt — oder es müßte eine furchtbare Sterblichkeit eintreten — Bayern 
niemals zum Vorsitz.“ Bgl. v. Seydel, Komm., S. 169, Jahrb. III. S. 294; 
Schulze, Lehrb. II, S. 65; v. Rönne, Staatsr., S. 207; v. Mohl, S. 298; 
Westerkamp, S. 100; Meyer, Lehrb., S. 435; Thudichum, Jahrb. I. S. 26; 
Laband, Staatsr. I, S. 279; Proebst zu Art. 15, A. 4. S. 69; Bauer, S. 34.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.