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ersten Paragraphen der Geschäftsordnung des Bundesrates ihren
Platz gefunden hat. „Die Mitglieder des Bundes können für
die von ihnen zu ernennenden Bevollmächtigten Stellvertreter
aufstellen, welche, im Falle der Verhinderung von Haupt—
bevollmächtigten, für dieselben als Mitglieder in den Bundes—
rat eintreten.“8?) Auch in der Reichsschuldenordnung vom
19. März 1900 § 12 Abs. 2 werden die stellvertretenden
Bevollmächtigten zum Bundesrate erwähnt. „Die Reichs-
schuldenkommission besteht aus 6 Bevollmächtigten oder seell=
vertretenden Bevollmächtigten zum Bundesrat "90) Diese
Vorschrift gibt also nicht die Grundlage für das Institut der
stellvertretenden Bevollmächtigten, sondern hat dieses zur Vor-
aussetzung. -·
a. Die geschichtliche Entwicklung der Zulassung von stell—
vertretenden Bevollmächtigten ist folgende. Die erste Geschäfts—
ordnnng des Bundesrates vom 27. Februar 1871 kennt diese
Einrichtung noch nicht. Es ist hier nur von einer Vertretung
im Ausschusse die Rede: „Die Bundesstaaten, auf welche die
Wahl gefallen ist, ernennen die Mitglieder bezw. den Stellver-
treter des Ausschusses aus ihren Bevollmächtigten.“!1) Im
Jahre 1872 wurde diese Bestimmung erweitert??) und ein
neuer § 19 eingefügt: „Stellvertretende Bevollmächtigte (5 17)
..ffönnen an den Beratungen des Bundesrates über die-
89) Vgl. Perels, Stellv. Bevollm., S. 255; Laband, Staatsr. 1,
S. 245 f., Reichsstaatsr., S.63, Der Bundesrat in der D. Jur. Zeit, 16. Bd.
1911, Sp. 7 f.; v. Seydel, Komm., S. 134; Vogels, S. 14 f.; Römer, S. 48 f.;
M. Müller, S. 46 f. — Die Kleinstaaten bestellen zu stimmführenden Be-
vollmächtigten ihren Staatsminister, der aber nur bei wichtigeren Verhand-
lungen in Berlin anwesend sein kann, sodaß das Institut der stellvertreten-
den Bevollmächtigten für diese von großer praktischer Bedeutung ist. Die
Mittelstaaten entsenden auch nur in die bedeutungsvolleren Sitzungen ihre
leitenden Minister, sonst werden sie von ihren Gesandten in Berlin im
Bundesrate vertreten.
90) In dieser Kommission werden die Bundesratsbevollmächtigten
natürlich nicht als solche, sondern in besonderer amtlicher Eigenschaft tätig.
91) Geschäftsordnung des Bundesrats, Berlin 1871, § 17, Abs. 3.
92) § 17, Abs. 3 hatte jetzt folgenden Wortlaut: „Die Bundesstaaten,
auf welche die Wahl gefallen ist, ernennen die Mitglieder bezw. die Stell-
vertreter des Ausschusses aus ihren Bevollmächtigten, oder den für die
letzteren ernannten Stellvertretern.“ „Prot. für 1872, § 87.“