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verfaff. ist die Vertreterhöchstzahl der Bundesstaaten festgelegt
worden. Wenn nun daneben noch stellvertretende Bevoll-
mächtigte von seiten der Einzelstaaten ernannt werden, dann
wird dadurch nicht, wenn auch die Gesammtzahl der Bevoll-=
mächtigten die Höchstzahl übersteigt, gegen Art. 6 Reichsverfass.
verstoßen, weil die stellvertretenden Bevollmächtigten gemäß
§ 1 Geschäftsordn. erst „bei Verhinderung von Hauptbevoll-
mächtigten als Mitglieder in den Bundesrat eintreten“"“
Daraus folgt, daß die stellvertretenden Bevollmächtigten als
solche noch gar nicht Mitglieder des Bundesrates sind, sondern
dies erst bei Verhinderung der Hauptbevollmächtigten werden,
sodaß durch ihre Ernennung die Zahl der Bundesratsmitglieder
nicht berührt wird. 20) Art. 6 Abs. 2 Reichsverfass. hat aber
nur Bundesratsmitglieder im Auge, was aus seiner Verbindung
mit Abs. 1 hervorgeht.
Hiernach haben die Stellvertreter nur dann die rechtliche
Stellung der Hauptbevollmächtigten, wenn sie diese vertreten-
Falsch ist die Ansicht, es habe sich das Gewohnheitsrecht her-
ausgebildet, daß der Bundesrat aus den Haupt= und stellver-
tretenden Bevollmächtigten bestehe, sodaß ihre Gesamtzahl die
den einzelnen Staaten zugebilligte Stimmenzahl nicht über-
steigen dürfe. Dies gilt nur für die Hauptbevollmächtigten,
während Stellvertreter in unbeschränkter Anzahl ernannt werden
dürfen, ohne daß dies rechtswidrig ist. Erst dann läge ein
Verstoß gegen Art. 6 Reichsverfass. vor, falls bei Verhinderung
von Bevollmächtigten eine größere Anzahl von stellvertretenden
Bevollmächtigten als Bundesratsmitglieder aufträten, mit a. W.,
nicht die Ernennung der stellvertretenden Bevollmächtigten,
sondern die Vertretung der Hauptbevollmächtigten kann einen
Verstoß gegen die Verfassung herbeiführen. Darum sagt Seydel “#)
mit Recht: „Es besteht kein innerer Grund, warum es den
Staaten, besonders jenen mit nur einer Stimme verwehrt sein
soll, für den Fall der Behinderung ihres Gesandten Vorsorge
zu treffen.“ Zwar sagt § 4 Abs. 1 Geschäftsordn.: „Stellver-
98) In einem solchen Falle ist keine besondere Erklärung der Regie-
rung oder des Hauptbevollmächtigten nötig, sondern bei dessen Verhinde-
rung tritt die Stellvertretung von selbst in Kraft.
99) A. A. Laband, Jur. Zeit. Sp. 8, Staatsr. I, S. 246.