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zahl der Stimmen 61 beträgt. Bei Abgabe sämtlicher Stimmen
beträgt die einfache Mehrheit demnach 31.
III. Es ist nunmehr die Stellung Elsaß-Lothringens zum
Bundesrate genauer zu untersuchen. Gemäß Art. 6 Abs. 1
Reichsverfass. sind nur die Mitglieder des Bundes, d. h. die
Bundesstaaten berechtigt, Vertreter zum Bundesrate zu ent-
senden. Aus diesem Grunde hatte das Reichsland Elsaß-
Lothringen als Provinz und unselbständiger Gebietsteil des
Reiches 20) keine, seit 1879 21) beratende Stimmen im Bundesrat.
Die zu diesem Zweck ernannten 4 Kommissare „können im
Verlaufe der Diskussion eines auf die Tagesordnung gesetzten
Gegenstandes Anträge stellen, auch mit Referaten beauftragt
werden.“22) «
Als Hauptgrund, weshalb durch das Gesetz von 1879
Elsaß-Lothringen keine beschließende Stimme gegeben wurde,
hat Fürst Bismarck bei der Beratung dieses Gesetzes?s) ange—
geben, daß durch die Erteilung einer solchen Stimme nur die
preußische Stellung im Bundesrate gekräftigt würde. Dieselbe
Ansicht begründete Fürst Bülow) folgendermaßen: „Es entsteht
zunächst die Frage, durch welche Instanz die elsaß-lothringischen
Bundesratsbevollmächtigten ernannt werden sollen. Die Wahl
derselben durch den Landesausschuß erscheint im Hinblick auf
die die Organisation des Bundesrats regelnden Bestimmungen
des Art. 6 Reichsverfass. ausgeschlossen. Ihre Ernennung
durch den Kaiserlichen Statthalter würde dagegen dazu führen,
20) Dies ist der staatsrechtliche Charakter Elsaß-Lothringens, weil es
seine Verfassung auf Grund eines Reichsgesetzes erhalten hat, welche auch
kraft diesem fortbesteht.
21) Reichsges. betr. die Verfassung und Verwaltung Elsaß-Lothringens
vom 4. Juli 1879, § 7 (R. G. Bl. S. 166): „Zur Vertretung der Vorlagen
aus dem Bereiche der Landesgesetzgebung, sowie der Interessen Elsaß-Loth=
ringens bei Gegenständen der Reichsgesetzgebung können durch den Statt-
halter Kommissare in den Bundesrat abgeordnet werden, welche bei dessen
Beratungen über diese Angelegenheiten teilnehmen.“ Vgl. Geschäftsordn.
f. d. Bundesrat § 5, Abs. 1, S. 1.
22) § 5, Abs. 1, S. 2 Geschäftsordn. f. d. Bundesrat.
23) Reichstagssitzungen vom 21. und 27. März 1879, Sten. Ber.
S. 565a und 669 f.
24) Reichstagssitzung vom 15. März 1905, Sten. Ber., S. 5264a.