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nur einheitlich für oder wider die eingebrachten Anträge ab—
gegeben werden können.) So hat im Grunde genommen
jeder Staat nur eine Stimme, die einheitlich abgegeben, aber
verschieden bewertet wird, wie z. B. die Stimme des größten
Territoriums, Preußen, siebzehnfach zählt, während dagegen
die der 17 kleinsten Staaten nur einfach berechnet wird. Tie
in Art. 6 Abs. 1 Reichsverfass. angegebenen Zahlen bezeichnen
lediglich den rechtlichen Wert der einzelnen Stimmen.
II. Dem Reiche gegenüber entspricht die Ausübung des
Stimmrechts im Bundesrate nicht die verfassungsmäßige Rechts-
pflicht der Einzelstaaten, dieses Recht auch auszuüben.") In
der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages befand sich
zwar ein mittelbarer Zwang zur Beteiligung an der Abstimmung
insofern, als die Stimme des Bundestagsgesandten, der im
Verhinderungsfalle entweder keinen andern Gesandten substi-
tuiert und dies dem Vorsitzenden nicht angezeigt hatte oder
ohne von der Bundesversammlung für genügend erkannten
Grund sich der Abstimmung enthielt, zur Vervollständigung
der Mehrheit oder Einstimmigkeit zugezählt wurde. Eine der-
artige Bestimmung ist in das heutige Reichsrecht nicht über-
nommen worden, wo jeglicher, auch indirekter Zwang, zur
Ausübung des Stimmrechts fehlt. Dies ergibt sich schon in-
3) Einander sich widersprechende Stimmen mehrerer Vertreter eines
Bundesstaates sind daher ohne Wirkung und bei der Abstimmung nicht mit-
zuzählen. (Art. 7, Abs. 3, S. 2 Reichsverfass. — Vgl. Arndt, Staatsr.,
S. 94; v. Seydel, Komm., S. 133; Reincke, Komm., S. 136.) Praktisch
kommt der Fall nicht in Betracht, da es natürlich ausgeschlossen ist, daß
eine Regierung ihre Stimmen verschieden instruiert. "
4) So Meyer, Lehrb., S. 431; Reincke, Komm., S. 136; v. Seydel,
Komm., S. 135, Jahrb. III. S. 280; Kliemke, S. 20; Loening, S. 61;
Westphal, S. 74; Dambitsch, S. 245; Arndt, Staatsr., S. 93 f.; Sauter,
S. 20; Laband, Staatsr. I, S. 240—42, Reichsstaatsr., S. 62. A. A. Her-
wegen, S. 44 f.; F. Müller, S. 29; Reincke, Der alte Reichst. u. der neue
B., S. 30; Zorn, Staatsr. I., S. 157, der im äußersten Fall sogar eine
Bundesexekution gemäß Art. 19 für zulässig erachtet. Es liegt aber keine
„verfassungsmäßige Bundespflicht“ vor, sonst hätte sie die Reichsverfassung
den Bundesgliedern ausdrücklich und klar auferlegen müssen. Auch wäre
bei vorliegendem Exekutionsrecht, bei einem solchen unmittelbaren Zwang,
das heutige Reichsrecht weiter gegangen als das Recht des Deutschen
Bundes, was nicht anzunehmen ist, sondern erst bewiesen werden müßte.