vom Nahen zum Fernen, von der Heimat zur Fremde führt der könig-
liche Lehrmeister seine Kinder. Besonders ihr Heimatland Sachsen
sollen sie gründlich kennen und dadurch lieben lernen. Die Michaelis-
ferien dienen vorzugsweise den Wanderungen durch Sachsen, die
(längeren) Sommerferien größeren Reisen. Auf den Reisen, welche
der König mit seinen Söhnen ins Karpathengebirge und in die
Alpen unternahm, wurden hohe Anforderungen an die Ausdauer
und den Mut derselben gestellt.
Auch den Prinzessinnen wurde das Elück nicht versagt, die
weite Welt zu sehen. 1905 und 1914 zeigte ihnen ihr könig-
licher Vater die Herrlichkeit der Alpenwelt (Rosengarten — Vene-
digergebiet). Nach dem schönen Abbazia am Adriatischen Meere
fuhren sie ihm bei seiner Rückkehr von einer Afrikareise 1911 ent-
gegen; 1915 weilten sie mit ihm im herrlichen Lugano an Ztaliens
Grenze; auch das deutsche Meer lernten sie 1912 kennen.
Wo aber auch der König mit seinen Kindern erschien, überall
gewann er die Herzen im Sturme. —
Zur Vorbereitung fürs Leben hat der König für seine Söhne
eine Einrichtung geschaffen, die in ihrer hohen Bedeutung vorbildlich
ist: die Prinzenschule. Mit einer Anzahl gleichaltriger Mitschüler
wurden hier die Prinzen im Taschenbergpalais zunächst in einem
Volksschulkursus und sodann nach dem Lehrplan des humanistischen
Gymnasiums unterrichtet. Den besten Einblick in die Aufgaben und
den Geist dieser Schule geben die Ansprachen des Königs selbst, die
er in der Prinzenschule bei Abiturientenentlassungen gehalten hat
und die eine Fundgrube weiszheitsvoller Gedanken darbieten. Wir
wollen aus der Fülle des hier Gebotenen nur ein paar seiner Worte
bei Entlassung des Kronprinzen 1912 hervorheben:
„An Sie, meine lieben Abiturienten, richte ich die Ermahnung,
den Grundsätzen strenger Rechtlichkeit, Pflichttreue und tiefer auf-
richtiger Gottesfurcht und Religiosität, die Sie in diesen Räumen
gelernt haben, auch fernerhin nachzuleben und, wenn es möglich
ist, sie noch mehr zu vertiefen. Nur dann werden Sie in der Lage
sein, als gottesfürchtige, königstreue, charaktervolle Leute Ihren
Weg im Leben zu gehen. Denken Sie auch immer daran, daß Sie
die Kameraden des ersten sächsischen Kronprinzen sind, der an einem
humanistischen Gymnasium seine Abiturientenprüfung abgelegt hat.“
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