Full text: Sachsen in großer Zeit. Band I. (1)

„Wir ergeben uns nicht!“ 
Januar 1915 — unvergeßliche Ehrentage der Sachsen 
im Westen! Bei Tahure lag Regiment 177 im schweren 
Feuer, die Gräben zusammengeschossen, die Besatzung ver- 
wundet, gefallen. Der 
Feind Fürmte und 
drang in die völlig 
zerschossenen Siel- 
lungen ein. Einer 
stand noch aufrecht 
im Sachsengraben 
und schlug und scheß 
wie wild: Unteroffi- 
zier Ernst Brauns- 
dorfvon der 1. Kom- 
pagnie. Sie dräng- 
ten in großer Über- 
zahl gegen ihn. Ein 
Bajonettstich traf ihn 
am Halse. Vergebens 
sah er sich nach Hilfe 
um, rief: „Kame- 
raden, unsern Graben sollen sie nicht haben — unsern 
nicht!“ Er rüttelte die Verwundeten und Matten auf, er 
schüttelte die Toten; sie aber gaben keine Antwort mehr. 
„Kameraden, wir ergeben uns nicht!“ 
Ein kleines Häuflein 177-er vernahm den stolzgemuten 
Ruf und folgte ihm. Sie rappelten sich auf und fochten 
wieder mit. Sie stießen den Feind aus dem Graben. Da 
wurde Unteroffizier Braunsdorf zum zweiten Male ver- 
wundet. Aber er hatte Wort gehalten, den Graben be- 
hauptet mit seinen getreuen, tapferen Kameraden. 
Geheimnisvolle Fahrt 
Am is. August 1914 wurden auf S. M. Befehl 
freiwillige Spezialisten für eine Aufgabe ins Ausland 
  
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gens 6 Uhr fuhren wir los nach Berlin und kamen nach 
bummliger Fahrt dort 12 Uhr nachts an. Die Wagen 
waren alle mit Humor bedacht worden und zeigien alierlei 
Charakterköpfe. In Berlin empfing uns unser zukünftiger 
Führer und Oberhaupt, Kapitän z. S. Freiherr Merschec. 
Hüllessen. So zogen wir als Matrosen mit Sang und 
Klang durch Berlm, wurden in einer Kaserne einquartiert. 
Morgens 9 Uhr war Appell im Reitstall, wo wir 
unserer Aufgabe gewiß wurden. Darauf verlad der Kapitän. 
und den Geheimbefehl des Kabinetts. Danach mußten wir 
uns unserer Matrosenkleider entledigen und wurden wieder 
Zivil. Und so verließßen wir danach den Schuppen, um noch- 
mals gemütlich zu speisen, unter Bedienung der Ordonnanzen, 
wa# selten beim Militär ist: zwei Gänge. Danach ver- 
ließen wir laut Befehl die Kaserne ganz unauffällig und 
gingen nach dem schlesischen Bahnhof, wo unser Zug schon 
bereu stand, ausgerüstet für eine sehr lange Reise, mit 
allen Bequemlichkeiren. Ein 42 Wagen langer Zug war 
es mit zwei Schnellzugslokomotiven. 
Ein Wagen für unsere Admiräle Exzellenz Usedom 
und Mertens und sonstige Offiziere. Vier Wagen 
mut Proviant, Geheimsachen usw. Unsere Wagen waren 
solche dritter Klasse mit pro Mann einer Matte und einer 
Reisedecke, Bücher usw. ausstaffiert, alles bequem. Unser 
Zug bestand aus 600 Mann. Auf Zeichen unseres Kapitäns, 
welcher natürlich mit uns fuhr und für uns sorgte, hatten 
wir dies arrangiert: ein Pfiff: Kopf heraus, zwei Pfiffe: 
Abreilältester melden, drei Pfiffe: aussteigen. Mehrere 
kurze Pfiffe: schnell einsteigen. Es funktionierte bis ans 
Ende gut. 
Wir standen mit den Offizieren und deren Damen, 
welche noch Blumen und Lebesgaben verteilten, zusammen, 
als das Zeichen „Einsteigen“ erscholl. Als wir verschwanden, 
noch ein letztes Hurra, und wir verließen in guter Fahrt 
unsere Residenzstadt. Es war eine teuflische Fahrt, 
denn wir sollten so schnell wie möglich aus Deutschland 
raus. Nur in Breslau hielten wir und kamen morgens 
6 Uhr in Oderberg an (österreichisch-ungarische Grenze). 
  
  
gesucht, wir Von da ab 
wurden auf fubren wir 
die Gefahren in wahrem 
aufmerksam Schnecken= 
gemacht, aber tempo, zur 
dies schreckte Sicherheit. 
uns nicht ab, Aber die 
wir blieben Fahrt durch 
bei unserem unser Freun- 
Versprechen. desland wer- 
Und so ging den wir nie 
am 10. Au- vergessen, 
aust unsere denn überall 
Aufgabe los. wurden wir 
Wir wurden herzlich be- 
von unseren — grüßt und mit 
Ofsizieren echt unga- 
mit Ge- rischen Ziga- 
schenken retten be- 
überschüttet schenkt. An 
und von un- Blumen 
sern Kame- fehlte es nicht. 
raden, die zu- Sogar auf 
rückblieben, manchen 
aufs herz- Stationen 
lichste verab- Der Bosporus von Konstantinopel aus gesehen wurden wir 
schiedet, denn mit Musik 
niemand wußte wohin. Aber trotz der auch traurigen Ge- 
sichter, die wir sahen, ließen wir uns den Humor nicht nehmen, 
denn „bange machen gilt nicht“ war unsere Parole. So kamen 
wir kurzerhand nach Kiel, herzlich aufgenommen, und mor- 
Sachsen in großer Zelt 
empfangen. Aber es sollte anders werden in neutralen 
Landen. Als wir die Rumänische Grenze überschritten 
hatten, beförderten uns die Rumänen mit einer derartigen 
Geschwindigkeit nach Bukarest, daß unsere Köpfe Beulen 
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