Full text: Sachsen in großer Zeit. Band I. (1)

114 
erhielten, denn wir rannten zusammen. Dort wollten die 
hohen Beamten uns nicht mehr ziehen lassen; es war dicke 
Luft. Aber unser guter Führer regelte alles mit Geld, 
und bald sauste der Zug wieder los. Wir hatten so in 
einer Nacht ganz Rumänien durchquert. 
Morgens 6 Uhr wurden wir unseren schön eingerichteten 
Zug los, denn in St. Georgio wurden wir über die Donau 
gesetzt, mit Sack und Pack. Es war uns die Bedingung 
gestellt, um do Uhr müßten wir verschwunden sein, und 
es blieb und nicht viel Zeit; mit drei Dampfern fuhren 
wir immer rüber und nüber mit den Proviantkisten. Auch 
dort mußte viel Geld fließen, und viele Kisten verschwanden. 
Aber was erwartete uns auf der anderen Seite? Die 
schmutzigsten Viehwagen, welche wir glaubten für den Pro- 
viant zu haben, waren für uns bestimmt. Mit 48 Mann 
waren wir drinnen und obenauf. Aber in der Not ging's doch. 
In Sofia bekamen wir wieder Wagen dritter Klasse. 
Auf der weiten Strecke brachte es unser Kapitän mal fertig, 
den Zug halten zu lassen auf freier Strecke, und 600 Mann 
sprangen ausden 
Kupees in die 
Fluten eines 
Flusses, und in 
der Nähe erer- 
zierte Militär. 
Aber auf ein 
Signal war alles 
wieder im Wa- 
gen und weiter 
ging die Fahrt. 
So sorgte unser 
Kapitän für 
uns. . So ka- 
men wir nach 
elftägiger Fahrt 
am 1. Septem- 
ber in Kon- 
stantinopel an 
und wir dankten 
Gott, daß es ge- 
glückt war. Denn 
wir waren jietzt 
unter Schutz der 
hohen Pforte. 
Wir wurden zum Hafen geführt und gleich eingeschifft 
auf dem „General“ der Deutsch-Afrika-Linie. Dort konnten 
wir uns zum ersten Male wieder aalen. Ich z. B. wohnte 
für eine Nacht zweiter Klasse. Wir bekamen gutes Essen 
und rauchten Simon Arzt zur Abwechslung. 3 Uhr fuhren 
wir los nach dem Booporus zu, auf dem Wege dorthin 
konnten wir die Herrlichkeiten der herrlichen alten Türken- 
hauptstadt bewundern. 
Es war prächtig, auf einmal tauchte die „Breslau“ " 
auf, welche schon vieles hinter sich hatte, und begrüßte die 
Kameraden mit donnerndem Hurra. Es wurde stark er- 
widert. 
Eo dunkelte, und es verschwand einer nach dem an- 
deren in seiner Koje. Ich aber fand keine Nuhe und sah 
dem herrlichen Wolkenspiel zu, was man in der Heimat 
nicht hat. An der Einfahrt zum Bosporus verabschiedeten 
wir ung von den Kameraden für dort, und weiter ging's 
ino Marmarameer zurück, legten an der „Breslau“ 
längsseits an und hatten von 10 bis 11 Uhr abends Zeit, 
und mit den Mannschaften zu unterhalten, wir mußten 
auch wieder scheiden, denn unser Ziel waren die Dar- 
danellen. Wir gingen zur Nuhe, und als wir aufwachten, 
waren wir schon dort. Wir bekamen noch einmal warmes 
Essen und wurden dann auggeschifft. Das Städtchen Kil- 
El-Bar, wo wir abgesetzt wurden, machte keinen guten 
  
Ein Labetrunk 
Eindruck. Wir kamen nach einem alten nahegelegenen Fort. 
Aber dort sollten wir was erleben, denn von außen machte 
es einen guten Eindruck, aber innen. Was war da? Nichts 
und nochmals nichts. Aber was läuft da so schnell? Natten 
und Mäuse — nette Bescherung, und an der Wand waren 
dunkle Flecken; es waren Wanzen, die auf Futter warteten. 
Das waren unsere ersten Bekanntschaften, die wir in der 
schönen Kaserne machten. Wir mußten hier acht Tage 
bleiben, die wird wohl keiner vergessen, denn wir lebten 
von Brot und Tee. Die Türken lieferten und wohl Essen 
aber — aber Cselfleisch mit Melonenschalen oder Sau- 
bohnen mit ranzigem Ol; darauf mußten wir ver- 
zichten, denn unser Magen mochte es nicht aufnehmen. So 
mußten wir undg mit dem Brot begnügen. Nun stellten 
sich bei dieser kolossalen Hitze noch Krankheiten ein, Oysen- 
terie und Ruhr. Mir spielte es auch zwei Tage mit. Wir 
dankten Gott, daß wir nach acht Tagen fort kamen, wir 
hatten türkische Uniformen erhalten, alles neu. Wir 
wurden verteilt auf die einzelnen Forts. Unsere erste 
Aufgabe war, 
die Geschütze in 
Stand zu setzen, 
denn sie waren 
fast unbrauch- 
bar. Wir woh- 
nen nun in Zel- 
ten zu fünf 
Mann, wie noch 
heute. Es ist 
klein, aber im 
Gutengehtalles. 
Die Verhältnisse 
änderten sich 
gleich, denn wir 
kochten gleich 
nach unserem 
Stil. So verging 
die Zeit, teils 
mit Unterrichten, 
teils mit Repa- 
rieren. Bis wir 
plötzlich am 3. 
November mor- 
gens mit Donner 
und Krachen geweckt wurden, aber in kurzer geit war alles 
klar. Die englische Mittelmeerflotte beschoß die Außenforts. 
Wir konnten leider nicht helfen, da wir außer Schußweite 
lagen, aber zusehen mußten wir mit Wut. Engländer gaben in 
kurzer Zeit ungefähr 250 Schuß schweres Kaliber immer in- 
direkt geschossen, so daß die beschossenen Forts sich nicht ein- 
mal wehren konnten. Sie erlitten einen geringen Schaden. 
Zwei Geschütze versandet, 30 Offiziere, 60 Mann tot, 
30 schwerverwundet. Währenddem 15 Treffer, andere weit 
oder kurz, beschoß „Torgud Reiß“ die Flotte mit 15 Schuß 
und machte ein Kampfschiff unfähig. Das sich sofort 
zurückzog, mit ihm das ganze Geschwader. Dies feige Ge- 
sindel; offenen Kampf wünschen sie nicht. 
Seitdem kam nichts mehr vor. Wir hielten Schieß- 
übungen ab und die Engländer auch. Ein Torpedoboot, 
das besetzt mit deutschen und türkischen Offizieren raus- 
fuhr, wurde angehalten und aufgefordert, die Deutschen 
müßten sofort die Forts verlassen, aber Gott sei Dank 
wir sind heute noch hier. Und sie haben Dampf. 
Fort Hamidje, 12. Jan. 1915. 
Matr.-Art. Paul Dutschke aus Dreöden 
b. Sonderkommando Dardanellen. 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.