Full text: Sachsen in großer Zeit. Band I. (1)

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meinte darauf, meinem Einlaufen stände nichts im Wege, 
aber auslaufen würde ich nicht wieder dürfen. Im übrigen 
würde alles von der Regierung in Batavia geregelt. Mir 
war vor allem darum zu tun, einen deutschen Dampfer 
zu bekommen, da die Weiterreise mit der „Ayesha“ wegen 
ihres Zustandes doch recht fraglich war. 
Im Hafen lagen auch mehrere deutsche und ein öster- 
reichischer Dampfer, die bei unserem Erscheinen Flaggen 
setzten und Hurra riefen. Wir waren gleich von zahlreichen 
Booten umschwärmt, die uns allerhand nützliche Gegen- 
stände: Wäsche, Kleider, Uhren, Matratzen, Zigarren, Ziga- 
retten an Bord warfen. Hier bekamen wir auch endlich 
deutsche Zeitungen, zwar alt, aber sehr willkommen. Die 
holländische Regierung machte mir erst Schwierigkeiten, 
indem sie meine Eigenschaft alo Kriegsschiff nicht aner- 
kennen, sondern mich als Prise behandeln wollte, was ihr 
einen geharnischten Protest einbrachte. Als sie von mir ver- 
langten, ich solle eine Bescheinigung vorlegen, daß Kapitän 
v. Müller mich zum Komman= 
danten der „Ayesha“ gemacht 
habe, antwortete ich ihr, daß die 
Frage, kraft welchen Rechts ich 
Kommandant wäre, nur meine 
Vorgesetzten etwas anginge. Die 
Hauptperson in Padang schien 
der Hafenmeister zu sein, ein 
geborener Belgier, von dem na- 
türlich keine Liebenswürdigkeiten 
zu erwarten waren. Ebensowenig 
wie wir ihm Liebenswürdigkeiten 
bei seinem Anbordkommen verab- 
reicht hatten. Ihm schien die 
„Ayesha“ nicht schön genug zu 
sein, wenigstens g.bärdete er sich, 
als ob er auf einem Kohlen= 
prahm wäre, bis ihm ebenfalls 
wieder in deutscher Sprache klar- 
gemacht wurde, daß er sich auf 
einem Kriegsschiff Seiner Maje- 
stät befände, wo er gar nichts 
zu sagen habe. 
Uns fehlten, wie gesagt, die 
nötigen Auvrüstungsstücke, wir 
hatten keine Seekarten, keine 
Kleider und sehnten uns auch 
danach, wieder einmal Bekanntschaft mit Seife und 
Zahnbürste zu machen. Wir erhielten aber von den Hollän= 
dern nur Proviant und Wasser, envas Tauwerk und Segel. 
Alles übrige wurde uns verweigert mit der Begründung, 
daß z. B. die Liferung von Seife und Jahnbürsten eine 
Verstärkung der Wehrkraft böte, die nach dem Völkerrecht 
verboten sei. 
Inzwischen hatten ung aber die deutschen Dampfer, 
trotzdem die Holländer wie Schießhunde aufpaßten, so viel 
Sachen zugesteckt, daß wir in sehr verstärktem Zustande 
abendo auslaufen konnten. Der Konsul, ein geborener Oster= 
reicher, Herr Schild, begleitete uns ein Stück. Wir brachten 
ihm beim Abschied drei Hurras zum Dank für die weit- 
gehende Unterstützung, die er uns hatte zuteil werden lassen, 
und unter den Klängen der „Wacht am Rhein“ tauchte die 
„Apyesha“ in der Dunkelheit unter. Nachts gegen 2 Uhr, 
als wir schon weit in See waren, kam plötzlich ein kleines 
Nuderboot längsseit. Ihm entstiegen ein deutscher Re- 
serve-Offizier undein deutscher Reserve-Unter- 
offizier, die sich bei mir zum Dienst meldeten. Sie 
waren und stundenlang nachgerudert, ohne daß wir es 
wußten, weil sie im Hafen aus Neutralitätsgründen nicht 
an Bord kommen konnten. Bei unserer Ausfahrt aus Pa- 
dang begleitete uns kein holländisches Kriegsschiff. Ich 
  
Grab des Leutnants d'Elsa bei Berthincourt 
.(Mit allerhöchster Genehmigung den Tagebüchern des Königs von 
Sachsen über seine Fromreisen entnommen) 
hatte nämlich der holländischen Regierung durch den Konsul 
mitteilen lassen, daß ich in einer nochmaligen so auffälligen 
Begleitung, wie dies beim Einlaufen geschehen war, einen 
unfreundlichen Akt erblicken müßte, der geeignet wäre, den 
Erfolg meines Unternehmens zu gefährden. 
Wir trieben uns dann noch fast drei Wochen in See 
herum, hatten teilweise sehr schwer unter dem Wetter zu 
leiden, wac besonders den zehn lebenden Schweinen, die 
wir aus Padang mitgenommen hatten, Unbehagen bereitete. 
Wir warteten auf einem bestimmten Punkte in See, ob 
einer der deutschen Dampfer uns nahe kommen würde. 
Auf welche Weise wir uns mit den deutschen Dampfern 
in Verbindung gesetzt hatten, kann ich natürlich nicht er- 
zählen. Zweimal wurden wir in unserer Hoffnung getäuscht. 
Jedesmal war es ein englischer Dampfer, wovon sich der 
eine so eigentümlich benahm, daß wir Klarschiff zum Ge- 
fecht machten. — Endlich, am 14. Dezember, trafen wir 
den sehnlich erwarteten Dampfer. Es war die „Choising“, 
ein 1700 Tonnen großer Küsten- 
dampfer des Norddeutschen Aoyd, 
der im Frieden an der chinesi- 
schen Küste fuhr. Ein Ubersteigen 
war zunächst des schlechten Wet- 
ters wegen halb unmöglich. Der 
Sturm war so stark, daß mir 
„Ch# ising“ Signat machte, daß 
sie die See nicht halten könne. 
„Ayesha“ benahm sich vorzüg- 
lich. Mit ganz kleinen Segeln 
lag sie verhältnismäßig still, und 
keine der sehweren Seen und 
Brecher kam über. Wir suchten 
uns einen Punkt unter Land, 
wo es ruhiger war, und am 
16. Dezember stiegen wir mit 
Mann und Maus auf die 
„Choising“ über. Unserer guten 
al.en „Apyesha“ bereiteten wir 
ein Seemannsgrab. Nach- 
mittags um 4 Uhr *8 Minuten 
verschwand zie in den blauen Flu- 
ten des Indischen Ozeans, beglei- 
tet von drei Hurras zum Abschied. 
Mit der „Choising“, die 
leider nur sieben Seemeilen 
laufen konnte, waren wir am 7. Januar dicht vor der 
Perimstraße, wo die Sache für uns brenzlig wurde. Die 
Straße ist sehr schmal. Es war mit englischen Kriegsschiffen 
zu rechnen. Seekarten des Roten Meeres hatten wir auf der 
„Choising“ nicht. — Natürlich hatten wir sämtliche Lichter 
gelöscht und fuhren soviel Fahrt, wie wir irgend laufen 
konnten. Das Leuchtfeuer von Perim brannte, und es war 
uns unangenehm, daß wir durch das scheinwerferartige Licht 
in gewissen Zeitabschnitten beleuchtet wurden. Bei Perim 
sahen wir unter Land zwei englische Kriegsschiffe, die mit- 
einander signalisierten. Wer sie waren, konnten wir nicht 
sehen, hatten auch keine Lust, näher beranzugehen. Nach 
einigen spannungsvollen Stunden konnten wir uns als 
„durch“ berachten. 
In der nächsten Nacht waren wir vor Hodeida. Das 
einzige Buch, das uns zur Verfügung stand, war Meyers 
Weltreisebuch. Darin stand, daß die Hedschasbahn jetzt 
bis Hodeida ginge. Wir glaubten also, wir brauchten bloß 
am Jentralbahnhof in Hodeida in den Sonderzug zu steigen, 
um nach Deutschland abzubrausen. — Leider sollte es jetzt 
andero kommen. Zunächst sahen wir nachts bei der An- 
näherung an Hodeida einige Lichter, die wir für die Lan- 
dungsbrücke hielten. Als wir näher herankamen, kam uns 
die Sache aber schummerig vor. Die Lichter waren ganz
	        
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