Full text: Sachsen in großer Zeit. Band I. (1)

eigenartig. Wir hielten deswegen südlich ab. Ich stieg mit 
meinen Leuten in vier Boote, und nachts fuhren wir an 
Land. „Choising“ wurde in See geschickt mit dem Befehl, 
in den nächsten beiden Nächten wieder an dieselbe Stelle zu 
kommen und uns eventuell wieder abzuholen. Wir wußten 
nämlich nicht, wie die Dinge in Arabien standen. Wir hatten 
nur von Kämpfen zwischen Engländern und Türken in der 
Nähe von Hodeida gelesen, wußten aber nichts über den 
Auegang und konnten daher nicht sagen, ob Hodeida in tür- 
kischen Händen war oder nicht. Als es hell wurde und wir 
mit unseren Booten in der Nähe der vermeintlichen Lan- 
dungsbrücke waren, zeigte es sich, daß diese Landungsbrücke 
der französische Kreuzer „Desseir“ war. Da wir nicht 
die Absicht hatten, an dieser Landungsbrücke anzulegen, 
segelten wir auf Land und booteten aus. Ein Manöver, 
das wegen der Brandung bei den schwer beladenen Booten 
nicht ganz ungefährlich war. Durch einen in der Nähe be- 
findlichen arabischen Fischer hatten wir die tröstliche Kunde 
erhalten, daß Hodeida von französischen Truppen besetzt sei, 
ein Mifßverständnis, das darauf zurückzuführen war, daß 
der Araber zwar 
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strömte herbei und riß sich darum, unser schweres Gepäck 
zu tragen. Und mit einer Volkömenge von etwa b00schreien- 
den und springenden Arabern, sowie inmitten des zu unserer 
Bekämpfung ursprünglich uns entgegengesandten türbischen 
Militärs hielten wir unreren Einzug. Der französische Panzer= 
kreuzer war während unseres Marsches deutlich zu sehen. 
Von Hodeida wurde zunächst der Weitermarsch zu Lande 
versucht und hierzu nach Sanaa, der Hauptstadt des 
Jemen, gegangen. Infolge des äußerst ungünstigen Klimas 
waren zeitweilig 80 v. H. der Truppe fieberkrank und 
marschunfähig. Gegen Ende Februar zeigte sich, daß es un- 
möglich war, auf dem Landwege weiterzukommen. Des- 
wegen gingen wir nach Hodeida zurück und nahmen zwei 
Tsambuks, kleine Segelschiffe von etwa 12 Meter Länge 
und vier Meter Breite, wie sie die Araber dort fahren. 
Auf diesen Tsambuks brachen wir in der Nacht zum 15. März 
durch die englische Blockadelinie, die sich von Lo- 
baia über Kamaran nach Tebel-Zukur erstreckte. Eng-- 
länder haben wir nicht gesehen, und ich war absichtlich an 
einem Sonnabend durch die gefährliche Zone der Blockade- 
linie gefahren, 
  
sehr gut arabisch 
und wir sehr gut 
deutsch sprechen 
konnten, die Ver- 
ständigung trotz- 
dem aber nur 
mangelhaft war. 
An Land tra- 
fen wir zunächst 
nur einen ein- 
zelnen Araber. 
Trotzdemich ohne 
Waffen und mit 
den freundlich- 
sten Gebärden, 
sowie mit dem 
liebenswürdig- 
sten mir zur Ver- 
fügung stehen- 
den Lächeln auf 
ihn uschritt, kniff 
der Kunde aus. 
Jetzt sammelten sich an Land etwa 80 bis 90 bewaffnete 
Araber an, die scheinbar feindliche Absicht hatten. Wir 
machten uns also klar zum Gefecht. Da lösten sich 
plötzlich aus den gegenüberliegenden Schützenlinien etwa 
ein Dutzend Araber ohne Waffen heraus und kamen auf 
uns zu. Ich ging ohne Waffen entgegen, und die Unter- 
haltung begann. Die Araber gestikulierten und schrien alle 
durcheinander, und wir versuchten auf möglichst geistreiche 
Art ihnen klarzumachen, daß wir Deutsche wären. Das war 
nun nicht ganz leicht. Wir redeten deutsch, englisch, fran- 
zösisch, malal#sch auf sie ein, wurden aber nicht verstanden. 
Sie machten uns allerhand verrückte Zeichen, die wir wie- 
der nicht verstanden. · 
Ein peinliches Mißverständnis kam sogar vor, indem wir 
das Freundschaftszeichen, das im Zusammenreiben zweier 
Finger besteht, für das Feindschaftszeichen hielten. Wir 
wiesen mit drohenden Gebärden auf den französischen Pan- 
zerkreuzer und riefen dazu Bum, Bum, was sie aber auch 
nicht verstanden. Die deutsche Kriegsflagge kann— 
ten sie nicht, die deutsche Handelsflagge auch 
nicht. Als wir ihnen aber ein Goldstück mit dem Bilde 
des Deutschen Kaisers zeigten, fiel auf der anderen Seite 
der Nuf „Aleman!“ Das verstanden wir, das mußte 
„deutsch“ heißen. Also brüllten wir auch Unisono Aleman 
— — und die Brücke der Verständigung war geschlagen. 
Eo herrschte große Begeisterung bei den Arabern. Alles 
Sachsen in großer Zeit 
  
  
Maubeuge, Fort Broussois 
(Mit allerhöchster Genehmigung den Tagebüchern des Königs von Sachsen über seine Frontreisen entnommen) 
weil ich weiß, 
daß die Englän- 
der ihre Sonn- 
abend= und 
Sonntagsruhe 
ungern vermis- 
sen. Im Laufe 
der weiteren 
Reise verloren 
wir unseren ei- 
nen Tsambuk da- 
durch, daß er von 
dem Lotsen auf 
ein Riff gesetzt 
wurde und bei 
dem herrschen- 
den Seegang Leck 
schlug und sank. 
Der „Kom- 
mandant“, so er- 
zählt Leutnant 
Gerdts, „hatte 
die Führung des ersten Tsambuk, ich die des zweiten, 
der größer war, weil wir vier Kranke an Bord hatten. Erst 
ging's drei Tage lang gut. Ich sah die Segel des anderen 
Schiffes meist noch vor mir. Am dritten Tage erhalte ich 
Befehl heranzukommen und in der Nähe des ersten Bootes 
zu bleiben, weil dessen Lotse schlechter fuhr als meiner. 
Plötzlich in der Dämmerung spüre ich einen Stoß, wieder 
einen, noch einen. Das Wasser kommt rasch herein, ich 
war auf das Riff einer kleinen Insel aufgefahren, 
wo der kleinere Tsambuk gerade noch darüber kommen 
mochte, er hatte einen Fuß weniger Tiefgang. Mein Schiff 
war bald ganz voll, legte sich schräg und wir mußten alle 
23 Mann uns auf den hochstehenden Bootsrand setzen. Die 
bleine Insel liegt bei Jesirat Marka, zweihundert Meilen 
nördlich Jebaua. Da lag allerdings ein Araberboot in der 
Nähe, aber die kannten uns nicht; helfen konnte uns nie- 
mand. Hätte der Kommandant nicht vor wenigen Stunden 
den Befehl geändert und uns näher fahren heißen, so 
wären wir wohl auf der Koralleninsel ertrunken, jedenfalls 
aber verdurstet. Außerdem ist dort alles voll von Haifischen, 
und der Abend war so böig, daß unser gekipptes Boot mit 
jedem Wellenschlag gehoben und wieder angerammt wurde. 
NRühren konnten wir uns nicht viel, und das andere Boot 
war nicht zu sehen. Es wurde auch dunkel. Jetzt fing ich 
an, aus Mastbohlen, alten Holzstlcken ein Floß zu bauen, 
das für alle Fälle mitschwimmen konnte. 
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