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Aber bald kam das erste Boot wieder in Sicht. Der
Kommandant drehte um und schickte schnell sein kleines
Kanoe herüber; auf dem und auf unserem Kanoe, wo jedes-
mal zwei sitzen konnten, brachten wir zuerst die Kranken
herüber. Jetzt fingen die Araber an, uno zu helfen. Aber
da ragte plößlich der Tropenhelm unseres Doktors aus dem
Wasser, der bis zu dem Kopf drinstand. Da zogen
sich die Araber zurück. Wir waren Christen, und sie wußten
nicht, daß wir Freunde waren. Jetzt war der andere Tsambuk
so nahe, daß wir ihn in einer halben Stunde hätten er-
schwimmen können, aber der Seegang war zu groß. An
die Leine de# Kanoes hing sich jedesmal bei der Uberfahrt
ein guter Schwimmer. Wie es ganz dunkel war, konnten
wir das Boot nicht mehr sehen, denn sie konnten drüben
wegen des Windes kein Licht erhalten. Meine Leute fragten:
„Wohin sollen wir schwimmen?“ Ich sagte: „Schwimmt
auf den und den Stern zu, das muß ungefähr die Nichtung
sein.“ Schließlich ging drüben eine von den Fackeln hoch,
die noch von der „Emden“ übrig waren. Aber wir hatten
auch stark durch Nässe gelitten. Ein Matrose rief: „O weh,
jetzt isi's aus, das ist ein Scheinwerfer.“ Am meisten be-
währte sich dabei Leutnant Schmidt, der leider später
fiel. Gegen 10 Uhr waren wir alle drüben an Bord, aber
ein Typhuskranker, der Matrose Keil, hat sich dabei vollends
ruiniert; er ist eine Woche später gestorben. Die Bergung
gestaltete sich schwierig, da es dunkel war und uns zum
Transport nur zwei kleine Einbäume, deren jeder etwa
zwei Mann trug, zur Verfügung standen. Licht konnte ich
auf meinem Tsambuk zunächst nicht zeigen, da unsere La-
ternen von dem heftigen Winde auogeblasen wurden und
unser Fackelfeuer wegen der Nässe versagte. Ich ließ des-
halb im Boot ein offenes Holzfeuer anbrennen, damit die
von dem gesunkenen Boot herüberkommenden Leute wenig-
stens die Richtung sehen konnten. Eine Anzahl der Leute
war schon an meinem Tsambuk vorbeigetrieben und mußte
durch die Stimme und mit der Batteriepfeife herangeholt
werden. Die Fackelfeuer wurden an dem offenen Feuer
so lange erwärmt, bis sie brannten. Und erst jetzt konnten
wir genügend sehen, um sicherzustellen, daß keine Leute an
und vorbeitrieben. Am anderen Morgen sind wir wieder
zum Wrack zurückgefahren, um die in See gefallenen Waffen
zu suchen. Die Araber tauchen ja so gut, sie haben noch
viel herausgebracht, beide Maschinengewehre, die Gewehre.
bis auf zehn, allerdings durchnäßt. Später gab es viele
Versager beim Schießen.
Jelzt waren wir mit den Arabern 70 Mann auf dem
kleinen Boot bio zum nächsten Abend. Da gingen wir in
Konfida vor Anker und trafen Sami Bei, der jetzt noch
mit uns ist. Er hat sich schon früher in den Diensten der
türkischen Regierung bewährt und als Reisemarschall in
den letzten zwei Monaten gute Dienste getan. Er ist ein
tätiger, ortskundiger Mann, verschaffte uns ein größzeres
Boot von 84 Tonnen und fuhr selbst mit seiner Frau auf
dem kleinen Tsambuk nebenher. Vom 20. bis zum 24.
segelten wir ungestört bis Lith. Da meldete Sami Bei,
daß vor Djidda drei englische Schiffe kreuzten, um ung
abzufangen. Ich riet deshalb, ein Stück über Land zu
reisen. Ich habe ungern die See ein zweites Mal
verlassen, aber es mußte sein.“
Nun fährt Kapitänleutnant von Mücke fort: Wir zogen
über Land weiter in der Karawane, die aus 110 Kamelen
bestand. Das Land dork ist unsicher. Das RNäuberwesen
blüht. Wir ritten deshalb stets mit schußklaren Gewehren.
Wir marschierten in der Nacht, im Mittel 14—16 Stunden
täglich, und ruhten während der heißesten Zeit am Tage.
In der dortigen Gegend arbeitet sehr viel englisches Be-
stechungsgeld, und große Teile der arabischen Bevölkerung
sind englandfreundlich und regierungsfeindlich. Von einer
solchen in englischem Solde stehenden Truppe wurde unsere
Karawane kurz vor Tagesanbruch des 1. April plötzlich
überfallen. Ich ritt an der Spitze, alle Schußwaffen waren
klar. Wie es etwas hell wird, denke ich schon, für heute
sind wir durch; denn wir waren müde, waren 18 Stunden
geritten. Plötzlich sehe ich vor mir eine Linie aufblitzen,
über undg weg wird geschossen. Nunter von den Ka-
melen, Schützenlinie bilden! Der ganze Umkreis
des Wüstenhügels war besetzt. Also Seitengewehre auf-
gepflanzt! Sprung Sie flohen, aber kamen wieder,
diesmal von allen Seiten. Mehrere von den Gendarmen,
die uns mitgegeben waren, sind verwundet; der Maschinen=
gewehrschütze Rademacher fällt, durch einen Herzschuß
getötet; ein anderer verwundet, Leutnant Schmidt bei
der Nachhut ist tödlich verwundet, er hat einen Brust= und
Bauchschuß erhalten. Um uns zunächst einmal Luft zu
schaffen, gingen wir zum Bajonettangriff über. Erst
nach Westen, dann nach Osten, und dann nach Norden.
Auf diese Wendung war die
Bande nicht gefaßt, und
als wir mit Hurra vor-
stürmten, rissen sie aus wie
Schafleder.
Plötzlich schwenkten sie
weiße Tücher. Der Scheich,
dem ein Teil unserer Ka-
mele gehörte, ging hinüber,
um zu verhandeln, dann
Sami Bei mit seiner Frau.
Währenddem bauten wir
rasch eine Art Wagen-
burg, ein Kreislager aus
Kamelsätteln, Reis= und
Kaffeesäcken, die wir alle
mit Sand füllten. Wir
hatten keine Schaufeln und
mußten mit Seitengewehren,
Tellern und mit den Hän-
den schaufeln. Der ganze
Burgwall hatte etwa einen
Durchmesser von 50 Metern.
Dahinter legten wir Schüt-
Aisnebad
zengräben an, die wir
noch während des Gefechts