Als ich die Kameraden einen nach dem andern fallen
sah, glaubte ich, wahnsinnig zu werden. Alle Anerkennung,
die ich bekommen habe, ist mir ein Beweis dafür, daß
ich meine Pflicht getan habe. Der schönste Lohn jedoch ist
mir der, daß es mir vergönnt gewesen ist, viele Kameraden
einem qualvollen Tode durch Verbluten oder durch Wund-
brand entrissen zu haben.
Ihr hättet die Freude und Dankbarkeit der armen Kerle
sehen sollen, als wir sie verbunden und in Sicherheit ge-
bracht hatten.
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gern noch eine Weile darin geblieben wären. Die sich
mehrenden Alarm= und Sturmproben Anfang Arril ließen
die nötigen Schlüsse ziehen.
Und nun war's so weit. Am 22. begann's mit vorzüg-
lich klappendem Gasangriff rechts drüben bei Langemarck-
Pilkem. Hinterdrein unsere Linien im raschen Vorgehen,
schon sauste auch die Artillerie vor und funkte den wenigen
vom Gao verschonten Engländern nach ..., alle anderen
wurden gefangen.
Wir 242 er standen ungeduldig . . . was wird nun
mit uns? Sollen wir
Der Sturm
bei Keerselaarhoek
am 25.April 1915
Fast ein halbes Jahr
lagen wirnunden Fran-
zosen und Engländern
gegenüber, bis auf 25
Meter. Ein Winter
voller Grauen, Nässe
und unbeschreiblichem
Schlamm lag Hinter
uns, wo die Tornister
in den Unterständen
schwammen, die Posien
bis zu den Knien in
dem zähen Brei stehend
ausharren mußten und
sich vor Kälte kaum mehr
rühren konnten. Auch
das andauernde Schan-
zen hatte daran nicht
sehr viel zu ändern ver-
mocht. Dazu ein scharf
wachsamer Feind, der
sich auf jede gefährdete,
schlecht verbaute Lauf-
und Schützengraben-
stelle einschoß, zumal
bei der geringen Ent-
sernung der beidersei-
tigen Linien voneinan-
der die Artillerie nicht
wesentlich in Tätigkeit
treten konnte. Wehe
dem Vorwitzigen, der
eine Schießscharte zu
weit öffnete, eine Se-
kunde zu lange über
den Wall blickte — gleich waren die tückischen Bie-Bies der
französischen Scharfschützen da. Mancher brave Kamerad hat
da in den langen Monaten sein Leben lassen müssen.
Alarm gehörte bei Keerselaarhook im März und
April lols zur Tagesordnung, und oft sind wir kaum
abgelöst worden und nach Moorslede eingerückt, hatten
die Sachen, wenn wir sie überhaupt vom Leibe bekamen,
zum Trocknen aufgehängt, als es auch schon wieder hieß:
„Es geht mir keiner aus dem Quartier!“.. oder: „Legt
euch nicht so fest aufs Ohr. !“ — und richtig, kurz
darauf, in irgend einer pechschwarzen Nachtstunde: „Los,
raus, in 10 Minuten steht die Kompagnie!“ Abgerückt,
— aber in ein paar Stunden waren wir meist schon wieder
unverrichteter Sache zurück.
Aber einmal würde es ja doch losgehen, das sagte sich
jeder, wenngleich wir mit dem fortschreitenden Frühjahr
die Stellung schon recht hübsch ausgebaut hatten und wohl
Denkmal auf dem Militärfriedhof Lens für die auf der Lorettohöhe Gefallenen
der ganzen prächtigen
Sache nur zusehen?
Auchlinks überm Wege-
kreuz mußte alles in
Ordnung sein —, es
ward also jedem klar,
daß entweder der ganze
Sack, der sich da um
das zerschossene Zonne-
beke vor uns bildete,
demnächst zugebunden
würde, falls Engländer
und Franzmann nicht
vorzogen, nochimletzten
Augenblick zu rücken.
So war die Lage,
als am 25. April nach
wochenlangem Alarm
wirklich der Befehl zum
Sturme eintraf; 2 Uhr:
„Alles fertig machen!“
Aber das ging zu plötz-
lich und nicht mit der
erforderlichen Ruhe!
Als das I. Bataillon
zur Verstärkung vor-
gezogen wurde, sah der
Engländer die vorzeitig
aufgepflanzten Seiten-
gewehre im Sonnen-
licht über den niedrigen
Laufgraben hinaus-
blinken und merkte na-
türlich sofort, daß da
etwas losgehen sollte;
so gab's denn schon im
Laufgraben ein tolles
Infanterie= und Ma-
schinengewehrfeuer,
Schrapnells von der
Blechbatterie — und
leider auch die ersten Verluste; dort fiel z. B. der sehr be-
liebte Unteroffizier Willy Tutzschky der 2. Kompagnie.
Ale 2,15 Uhr, zur befohlenen Zeit, die erste Welle,
Kompagnien des III. Bataillons, den Graben verlassen
sollte, blieb infolge des fürchterlichen feindlichen Infanterie=
und Maschinengewehrfeuers der Befehl stecken; Zweifel
kamen in einzelnen Gruppen auf, ob neunte oder zweite als
erste Welle gehen sollte, wodurch natürlich der Sturm an
Einheitlichkeit der Durchführung litt. Es wurde ferner
erschwert durch die teilweise mehr als knietief voll Schlamm
und Wasser stehenden Sappen und durch den Umstand, daß
der Sturm am hellen Tage ohne Artillerievorbereitung
als Uberraschung gedacht war.
Dennoch gelang der Sturm dank der außerordent-
lichen Kühnheit, besonders der 10. Kompagnie unter der
hervorragend schneidigen Führung des Oberleutnants Linck
an mehreren Stellen in beabsichtigter Weise. Auch von