Full text: Sachsen in großer Zeit. Band I. (1)

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der 12. Kompagnie vermochten einige Gruppen den feind- 
lichen Graben zu erreichen. An der Bahn Moorslede — 
Zonnebeke war ja ein Herausgehen unmöglich, da die eng- 
lische Feldwache mit drei Maschinengewehren ein mörde- 
rischeo Dauerfeuer auf unseren Grabenrand beiderseits des 
Bahndammes abgab, daß die Sandsäcke nur so auf 
und nieder hüpften .., aber weiter links, bei den 
zerfetzten Kirschbaum-Stümpfen, wo eine leidlich gang- 
bare Sappe zum feindlichen Graben führte, kamen ein 
paar Gruppen der 2. Kompagnie in todverachtendem Vor- 
stürmen hinüber und rollten ein Stück der Stellung nach 
der Straße Paöschendaele-Broodscinde und rechts binab 
nach der Bahn zu auf. 
„.. Wir wußten erst überhaupt nicht, wie wir eigent- 
lich da hinüber gekommen waren,“ erzählte der kleine 
vigilante Fritz Folgner von der 2. Kompagnie, „und 
mußten uns erst mal eine Weile richtig erholen — diese 
Aufregung! .. Monatelang in einem Graben gesessen, 
den du ganz genau kennst, wo du dir genau im Bilde 
bist, wav um dich herum und vor allem vor dir ist —, 
und nun mit einem Male in einem stockfremden Graben- 
stück, wo du zunächst weder aus noch ein weißt .., dann 
aber fir den Spaten raus und den Graben nach der an- 
deren Seite eingerichtet —, es dauerte nämlich nicht lange, 
da sah ich schon wieder einen solchen Kerl gebückt gerade 
auf mich zu geschlichen kommen . . er sah uns nicht — 
ich gehe in Anschlag —: in dem Augenblick verschwand er 
wieder in einem Grabenstück.. da —, jetzt biegt er eben 
um einen Erdhügel herum, bis in Brusthöhe frei —: 
so knipse ich ihn ab. Dann kam ein zweiter —, dem es 
ebenso erging, und so habe ich dort noch mehrere ab- 
geschossen ... Aber, ganz wohl ist uns paar Männeln da 
drüben nicht gewesen! 
Du mußt bedenken: mit zwei, drei Gruppen hielten wir 
ein schmales Grabenstück, rechts und links in nächster Nähe, 
mur durch ein paar halbzerschossene und eingestürzte Schul- 
terwehren getrennt, schon wieder der Feind, dabei keine 
Verstärkung aus unserem Graben 'ranzukriegen. Erst dann 
spät am Abend bekamen wir welche, und konnten uns 
mal richtig stärken. .. Es dauerte auch gar nicht lange, 
so unternahmen sie schon ohne Artillerie einen Gegenan- 
griff, aber sie kamen nicht bis ran, denn wir spannten 
natürlich auf die Ratte . Freilich, viele liebe Kame- 
raden, mit denen man sich in dem langen Winter, Freud 
und Leid teilend, angefreundet hatte, waren in wenigen 
Minuten gefallen oder verwundet, ein paar vermißt — 
wie gesagt: das ist mir noch jetzt ein Rätsel, daß man 
in dem Feuer nichts abbekommen hat .“ 
Allnächtlich erfolgten nun Gegenangriffe, die aber sämt- 
lich fehlschlugen. Es war ja nur noch eine Frage von 
Tagen, daß der Gegner angesichts der beiderseitigen starken 
Bedrohung seiner Flanken rücken mußte — und in der 
Nacht zum 4. Mai ist er dann tatsächlich mit Sack und 
Pack abgezogen. 
Wenngleich dem Sturm von Keerselaarhock militärisch 
eine größere Bedeutung nicht beigemessen werden kann, 
so bewies er doch klar den über einen harten, zermürbenden 
Winter lebendig erhaltenen Schneid und Angriffsgeist un- 
serer 242 er, für deren viele, die erst im Fanuar und 
März 1915 zum Regiment gekommen waren, er die Feuer- 
taufe bedeutete; eine große Zahl aus den unmittelbar be- 
teiligten Kompagnien, in erster Linie des III. Bataillons, 
wurde gleich bei dieser Feuertaufe verwundet, weshalb 
bei diesen die Eindrücke des Sturmes vom 25. April 
länger und klarer festhafteten als bei den gefechtsfähig 
verbliebenen Kameraden. 
  
  
  
DOHundertfünf 
in. Kampf gegen 
die Engländer 
Dader Regiments- 
kommandeur, Oberst 
Freiherr von Olders- 
hausen, oft die Bri- 
gade zu führen hatte, 
waren die Hundert- 
fünfer meist von Ma- 
jor Fürstenau kom- 
mandiert worden. 
Beim Sturm auf 
Schweighausen war 
er als erster in das 
Dorf gedrungen, und 
sein König hatte ihm 
für seine tapferen 
Taten den Heinrichs- 
orden verliehen. Dann 
aber hatte er in einem 
Gefecht den linken 
Arm verloren. Doch 
der begeisterte Sol- 
dat fragteseinen Kom- 
mandeur, ob er ihn 
auch noch mit einem 
Arm brauchen könne. 
Oberst von Olders- 
hausen antwortete: 
„Ihr Herz ist mehr 
  
  
Sonderzelchnung für „Sachsen in 
großer Zeit“ von Erich Fraaß 
Eine unter Wasser gesetzte Stellung aus dem Jahre 1914 
wert als vier Arme. 
Kommen Sie.“ Und
	        
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