Full text: Sachsen in großer Zeit. Band I. (1)

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Franzosen hatten die Flucht ergriffen. Mit Revolver und 
Laternen ihnen nach drangen in den feindlichen Gang ein: 
Leutnant Zillinger, Unteroffizier Mehlhorn, Gefreiter Posselt 
und Pionier Jentsch. Der Gang war vollkommen dunkel, 
sehr eng und niedrig, so daß man in ihm nur kriechen 
konnte; auch war die Patrouille ganz im Unklaren, wie 
der Gang verlief, wohin er führte und ob er nicht schon 
geladen war und jeden Augenblick gesprengt werden konnte. 
Da stieß man auf einen größeren Naum und traf 
auf die Franzosen, die sich mit Revolverschüssen ver- 
teidigten, wobel Gefreiter Posselt einen Schuß ins Knie- 
gelenk erhielt. Obwohl die Patrouille auch sofort feuerte, 
und den Verwundeten zurückzog, brachten die Franzosen 
Ladungskästen vor mit der Absicht, den Gang zu zerstören. 
Sobald Posselt in Sicherheit war, baute Leutnant Zillinger aus 
ihm zugereichten Sandsäcken an der Durchbruchsstelle ganz 
allein eine Barrikade als Deckung gegen die Feinde und 
feuerte ab und zu in den Gang hinein, um die Franzosen 
abzuhalten. Es ist auch deutlich der Fall eines Franzosen 
gehört worden. Hinter dem Wall wurden Ladungskästen 
von uns aufgebaut und mit geitzündschnur gezündet. 
Gefreiter Posselt ist seiner schveren Verwundung später 
im Lazarett Neufchätel erlegen. 
Sie trugen ihn auf ihren Armen heim 
Ich hatte Befehl, mit den vorgehenden Truppen das 
Telephon vorzuführen und mich während des Nachtge- 
fechtes in nächster Nähe des Bataillonskommandeurs auf- 
zuhalten. Nachdem der feindliche Drahtverhau erreicht war, 
wurde zum Verschnaufen niedergelegt. Herr Major Esche 
sprang als Erster wieder auf und versuchte, sich einen Weg 
durch den Drahtverhau zu bahnen. Doch schon nach etwa 
20 Metern stürzte er getroffen nieder. Nachdem ich auf 
Befehl des Herrn Oberleutnants Sauer das Geschehene 
dem Regimentskommandeir durch das Telephon mitgeteilt 
hatte, erhielten wir den Befehl, den feindlichen Drahtverhau 
soviel als möglich zu vernichten und dann zurückzugehen. 
Da nun die Franzosen das Zurückgehen der Kompagnien 
bemerkten, bekamen wir lebhaftes Schützenfeuer. 
Oberleutnant Sauer sagte mir, ich solle versuchen, den 
schwerverwun deten " 
Da nun starkes Artilleriefeuer auf der Gondrexoner 
Höhe lag, glaubte Oberleutnant Sauer, daß wir nicht durch- 
kämen. Auf mein Zureden hin versuchten wir es jedoch 
und kamen auch unversehrt mit unserm toten Major in 
Gondrexon an. 
Am 29. Mai 1915 erhielt Oberleutnant Sauer das 
Ritterkreuz des Militär-St.-Heinrichsordens und ich wurde 
gleichzeitig mit der silbernen St. Heinrichsmedaille aus- 
gezeichnet. 
Utffz. d. L. II Erich Kindler, Gren.-Lbw.-Reg. 100. 
Brotmarkensystem im Felde 
Hauptmann Külz, in Friedenszeiten Oberhaupt der Stadt 
Zittau, der so mannhaft manchen Zeitungskampf mit den 
Kriegsgesellschaften und ähnlichen Kriegoernährungs= 
Organisationen in der Heimat ausgefochten hat, wirkte auch 
im Felde für die Wohlfahrt seiner Truppe in vielem vor- 
bildlich. Einmal berichtet er im Sommer lols von einem 
Brotkartensystem bei seinem Bataillon, eine Schöpfung, 
die auf die Idee des Feldzahlmeisters Walther Kempf zu- 
rückzuführen war: 
Jedem Mann stiehen täglich ein und einhalb Pfund 
Brot zu. Das ist reichlich bemessen. Mit Recht. Die Leute 
arbeiten den ganzen Tag über schwer, und wenn nach einem 
in der Zittauer Presse kürzlich erschienenen Eingesandt auch 
das Kuhmelken die Arbeit zu sein scheint, die Körper und 
Nerven am meisten anstrengt, so dürfte doch die Erdarbeit 
in den Schützengräben mit dem, was drum und dranhängt, 
ungefähr die gleiche körperliche Anstrengung in sich schließen. 
Immerhin war zu bemerken, daß manche Leute trotzdem 
auch mit weniger Brot auskamen, ale sie zu beanspruchen 
batten. Um das nicht unnütz zu *G 3 den Leuten 
aber gleichwohl die Möglichkeit zu lassen, nach Bedarf die 
volle Nation zu fordern, erhält jedermann für den Monat 
soviel Brotmarken, soviel Mal er eineinhalb Pfund Brot 
beanspruchen kann. Hat er am Monatsende Brotmarken 
übrig, das heißt: Hat er seine Portionen nicht aufgebraucht, 
so erhält er für die ersparten Portionen den Wert in bar 
ausgezahlt. Alle Leute der Kompagnie sparen Brot, nur 
einer kommt selbst mit deim eineinhalb Pfund nicht aus, 
die anderen bekommen monatlich insgesamt soo Mark 
  
Herrn Major zurückzu- 
holen, was ich sofort 
ausführte. Zu diesem 
Zwecke schnallte ich 
meinen Mantel, wel- 
chen ich bisher als 
Sturmgepäckgetragen 
hatte, los und kroch da- 
mit ungefähr 20 Me- 
ter bis zum Major 
Esche vor. Ich zog un- 
sern Bataillonsführer 
auf den Mantel und 
brachte ihn bis an 
Oberleutnant Sauer 
zurück. Dort warteten 
wir, bis das Feuer 
etwas abgeflaut hatte, 
und traten dann, den 
Herrn Major zusam- 
men tragend, den 
Nückweg nach Gond- 
reron an. 
Auf halbem Wege 
nach Gondreron starb 
dann unser Major. 
  
Eine sächsische Soldatenfamilie: Zimmermann Ufer aus Großröhrsdorf mit seinen zwölf Söhnen
	        
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