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Die Karabiniers bei Lapsa
Vizewachtmeister Held besetzt die Höhe 78 nordöstlich
Lapsa! so lautete der Befehl. Sergeant Junghans ritt
mit sechs Mann voraus, ein kecker Streiter, der sich schon
bei Simsen gegen eine ganze feindliche Eskadron behauptet
hatte. Auch heute ritt das Glück mit ihm. Vor dem Feinde
erreichte er die Brücke und nahm die russischen Spitzen=
reiter schmunzelnd in Empfang. Sie ergaben sich und
sagten bereitwillig aus, grinsend, denn just in das Verhör
hinein preschten ein halbes Schock russische Reiter, die den
Karabinersergeanten attackieren wollten. Da kamen sie bei
einem altgedienten Bornaer Reitersmann übel an. Mit
seinen sechs Mann eröffnete Albin Junghans das Feuer
gegen die dreißig Russen, daß sie alsbald kehrt machten
und im nächsten Walde absaßen zum Fußgefechte. Von
zwei Seiten griffen sie an. Junghans behauptete sich
kehrt aus dem Bad zurück, nimmt, noch im Badeanzug,
den Tornister eines Infanteristen auf, dessen Besitzer, einen
kleinen Dicken, an die Hand, und beide marschieren im
Gleichschritt erneut ins Wasser. Das Scherzen und
Lachen steckt an, und wir mischen und ebenfalls in den
Trubel.
Etwa einen halben Kilometer weiter links baden Zivil-
bewohner von Ostende und werden durch manches Fern-
glas bewundert. Die Küstenverteidigungsanlagen werden
durch Posten scharf bewacht. Die Geschütze sind gut mas-
kiert. Nach dem Bade besuchen wir den Kursaal. Die dor-
tige Wache gibt uns einen Führer mit. Zu unserem Er-
staunen bemerken wir wenig Zerstörungen. Nur einige
Spiegelscheiben sind zertrümmert. Von der Plattform des
Aussichtsturmes sehen wir auf Stadt und See herab.
In der Hafeneinfahrt liegt ein versenktes Schiff. Weit
auf dem Meer zwei kleine Punkte, anscheinend Bojen. Im
gegen ihre fünffache Ubermacht. Mit scharfem Blick er-= Westen erdröhnt Geschützdonner. Die Batterien von
kannteer, daß Westende und
es allein ge- Middelkerke
boten schien feuern leb-
sich südwärts haft. Sehen
durch den kann man
Wald durch- nichts. Im
zuschlagen. flimmernden
Einer nach Sonnenschein
dem andern verschwimmt
führten seine
alles in der
Reiter ihre Ferne. Über
Pferde durch den Dächern
den Wald. Der der Stadt ra-
Sergeant gende Kirch-
blieb mit türme. Es
einem Manne schlägt 11 Uhr.
beider Brücke Von einem
und deckte der Kirchtür-
ihnen den me her klingt
Rückzug. Als die bekannte
letzter zurück- Melodie aus
reitend kriegte dem Walzer=
er auch noch traum“ her-
russisches über. Unser
Maschinen- Führer be-
gewehrfeuer Ostende stätigtauf un-
in die Flanke. sere erstaunte
Und fing sich doch seine beiden russischen Spitzenreiter
wieder ein, die ihm schon entwischen wollten. Die beiden
Russen rechts und links bei seinem Pferde kam Junghans
zur Schwadron zurück.
Wenig später bei Eckemgraf verwundete ihn ein
Schrapnell.
Sachsen am Badestrand von Ostende
An einem Sonntag im Juli fahre ich — erzählt Feld-
webel Uhde, 3. Kompagnie, 107 — mit meinem Freunde
Malecha nach Ostende. In einstündiger Fahrt erreichen
wir den Weltbadeort. Reges Leben herrscht in den Straßen.
Alle Posten werden von Marinetruppen gestellt und geben
bereitwillig Auskunft, soweit es ihnen dienstlich nicht ver-
boten ist. Die Straßenbahn bringt uns zum Kurhaus.
Wir gehen an den Strand. In kleinen Bretterbuden lagern
Badehosen und Handtücher, die von Marinemannschaften
an die Badenden ausgegeben werden. Weithin dehnt sich
die Nordsee, deren Schaumkronen im schönsten Sonnen-
lichte blitzen. Im Wasser herrscht ausgelassene Frählich-
keit. Eine Kompagnie rückt geschlossen heran, um eben-
falls zu baden. Eine vierschrötige Gestalt, deren friesischer
Dialekt keinen Zweifel über seine Heimat aufkommen läßt,
Frage, daß das Glockenspiel nach jeder vollen Stunde
ertönt. —
Die elektrische Küstenbahn bringt uns nach Blankenberghe.
Wir fahren an den fast unsichtbar in die Dünen eingebauten
schweren Batterien vorüber. Im Hafen von Zeebrügge liegen
Unterseeboote. Mit der Eisenbahn wird auf der Rückfahrt
Brügge erreicht. Zur Besichtigung der reichen Kunstschätze
bleibt uns wenig Zeit. Nur eine Rundfahrt wird unter-
nommen und dabei ein Kaffeehaus besucht. Hier werden
uns Originalbilder von Dürer gezeigt, von denen beson-
ders ein Porträt — ein hundertjähriges Ehepaar dar-
siellend — interessiert. Spät nachts kehren wir mit Schnell-
zug zurück nach Noulers.
Nur ein einziger Tag der sonnigen Zeit in Ardoye trübt
die frohe Stimmung. Unser Oberst verläßt uns,
um in einer höheren Dienststelle bei der III. Armee Ver-
wendung zu finden. Das Regiment ist in einem offenen
Viereck auf einer Wiese angetreten. „Stillgestanden!“ kom-
mandiert der rangälteste Stabsoffizier. Der Oberst kommt.
Auc seinen Abschiedsworten fühlt jeder Mann, wie schwer
es ihm wird, vom Regiment zu scheiden. Jeder weiß, mit
ihm scheidet die Seele des Regiments.
„Mein Streben lange Jahre hindurch ging dahin, ein-
mal Kommandeur des 107. Regiments zu sein. Daß ich