das eiserne Regiment vor dem Feinde führen durfte, emp-
finde ich besonders jetzt, wo ich scheiden muß, als die
schönste Zeit meines Lebens!“
Wir wissen es. Sein einziger Sohn, Leutnant Löffler,
wurde in Neuville schwer verwundet. Ob auch der Vater
litt, der Oberst tat seine Pflicht. Als der Oberst gegangen
war, war es den Alten allen, als ob mit ihm das beste Stück
des Regiments zu Ende sei. Bei seiner Abfahrt von Ardoye
umjubelt ihn seine treue Schar. Unendliche Mengen von
Blumen werden in seinen Wagen gelegt, dichte Gruppen
von Mannschaften schauen lange noch die Straße entlang
und schwenken die Mützen für den Oberst, den scheidenden
Kommandeur des eisernen Regiments.
Die Sachsen vor Nowo-Georgiewsk
Auf dem herrlichen unaufhaltsamen Siegeszuge der
Hindenburgschen Armee im Januar 1915 nach Rußland
hinein war auch
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Zwischen den Trümmerhaufen des Forts stehen die
croberten Geschütze und Maschinengewehre umher; in den
Gewölben liegen noch große Mengen von Munition; eine
Stelle der in Scherben gerissenen Betonmauer ist von braun
gewordenem Blut überströmt. Die gefallenen Feinde wurden
schon bestattet, nur die erschossenen Pferde sind noch unbe-
erdigt und zu abscheulichen Trommelformen aufgedunsen.
Neben diesem Bild einer erledigten Sache rührt sich schon
wieder die neue Arbeit. Auf dem Wall, der gegen Westen
blickt, gegen das unter deutschem Feuer stehende Fort III des
inneren Festungsgürtels, haben sich die Beobachtungcoffi-
ziere unserer Haubitzen und der österreichischen Motormörser
häuslich eingerichtet; daneben ist die Befehlsstelle des Oberst-
leutnants, der den Angriff gegen das Fort kommandiert.
Immer geht das Sausen schwerer Granaten hoch in
den Lüften über unsere Köpfe weg. Und gegen Westen hin
ist das Donnern und Dröhnen bis in weite Ferne zu hören
— die Stimmen der Geschütze, die gegen Fort II und 1
und auch schon
der Dichter Lud- Kegsegen die Zita-
wig Ganghofer delleihre eisernen
beiden sächsischen Keulenschläge
Landwehrtrup- schicken. Aber
pen des Obersten noch ist es nicht
Grafen Pfeil, derrichtige, ruhe-
einer bisweilen los ineinander-
auf!Bataillone flutende Donner-
angewachsenen klang. Kurze und
Brigade zweier lange Pausen
sächsischer Land-
wehrregimenter
unter Führung
der Oberstleut-
nants Schurig
und Kloß, die
mit ihren tap-
feren Leuten seit
Ende August
1914 in Ostpreu-
ßen und Polen
jeden Tag im
Russenfeuer ge-
standen hatten,
bald hier, bald
dort. Sie führte
deshalb beim
Feinde längst schon den Ehrennamen der „Gespenster-
brigade“, die Sturmbrigade Pfeil. Nun sollten sie wieder-
um ganze Arbeit tun. Mit hinreißendem Schwung und
jubelndem Herzen erzählte der Dichter, wie er selber zu-
sammen mit ein paar biederen Sachsen vor Nowo-
Georgiewst russische Gefangene gemacht hat:
Am 18. August haben die Sachsen das Fort 16 und
den die Straße von Serozk beherrschenden Festungskopf
genommen. Der deutsche Sturmweg nach Nowo-Georgiews#t
ist erschlossen durch die Hammerhiebe des deutschen
Willens. In der Morgenfrühe des 19. August durch-
schreite ich die zerrissenen Drahthindernisse und steige über
die besetzten Wälle empor, von denen ich am Regenabend
des 17. die Flammensträuße unserer Mörsergranaten auf-
blühen sah. In einem Kartoffelfeld sitzen die siebenhundert
Russen, die von den Sachsen aus dem Fort 16 heraus-
geklopft wurden; es lohnt sich noch nicht, sie abzuführen;
die Sachsen sind sparsame Leute und wollen noch ein biß-
chen warten, bis die bescheidene Ziffer zu einer eindrucks-
volleren Summe angewachsen ist. „Nee,“ sagt einer von
den dickbärtigen Landstürmern, ein Leipziger, „warum ooch
Zeit verlieren? Bis zum Abend, da ham mer se noch ze
vielen Dausenden; da geht's denn in eenen hin.“..
Sachsen in großer Zelt
· Die Trümmer des Forts Grodno
(Mu allerhöchster Genehmigung den Tagebüchern des Königs von Sachsen über seine Frontreisen entnommen) der Mittag bes-
sere Helle bringt.
In dem eintönigen Grau, das alle Nähe und dicker
noch alle Ferne umschleiert, erkenne ich undeutlich das
Fort III, das auf zwei Kilometer hinter dem Flusse Wkra
liegt und anzusehen ist wie ein flacher, mit hundert schwarz-
treten ein, weil
der dichte Mor-
gennebel, der
ziehende Qualm
und das Gewir-
bel der grauen
Dünste die ge-
naue Beobach-
tung der Schuß-
wirkung erschwe-
ren, sie fast un-
möglich machen.
Das Wirkungs-
schießen kann erst
einsetzen, wenn
braunen Straußenfedern besteckter Niesenhut. Hinter grau
umwickelten Obstgärten und Wäldchen dämmern die Um-
risse von Hausdächern, zur Linken die Garnisonkirche von
Panjechowo mit ihrem schönen, an nordfranzösische Formen
erinnernden Turme, und zur Rechten die schmucke, drei-
kuppelige Kathedrale von Aleksandryiska. Und dahinter —
ein prophetisches Zeichen dieses grauen Morgens — steht
eine Reihe von acht mächtigen Nauchsäulen. Sie qualmen
an der Weichsel, dort, wo die unsichtbare Zitadelle stehen
muß, und erzählen. daß der Feind seinen letzten Halt
verloren gibt und Feuer in die Magazine wirft. Mit der
Freude, die ich fühle, mischt sich eine beklommene Sorge.
Wird General Bobr, der Kommandant der Festung, sich
zur Ubergabe entschließen? Oder wird er die zwanzig= oder
dreißigtausend Mann, die ihm nach den Kämpfen der ver-
gangenen neun Tage noch geblieben sind, zu einem Auofall
sammeln, sie zu einem letzten Verzweiflungskampfe gegen
die Unseren führen? Kommt es so, dann werden unsere
Feldgrauen, die Sachsen, die Schlesier, die Rheinländer
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