Full text: Sachsen in großer Zeit. Band I. (1)

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Erz geschnitten, doch in dem ruhig gleitenden Auge ist ein 
warmes freundliches Leben. Mit ihm kommt ein zweiter, 
den ich noch nicht gesehen habe und den die Feldgrauen 
mir nennen müssen, Ludendorff, der treue Helfer, die 
rechte Hand des Meisters. 
Eine reiche Stunde! Alle so versammelt zu sehen auf 
diesem kostbar gewordenen Erdenfleck — alle, auf die wir 
Deutsche uns verlassen können, wie die Redlichen auf das 
ewige Leben. 
Nun plötzlich eine klingende Bewegung. Was ist das? 
Wie ein beschwingter Sturmlauf sieht eo aus. Die Flügel 
der stählernen Mauer drehen sich gegen die Mitte hin. Der 
Kaiser will zu seinen Truppen sprechen. Sie 
formen das Viereck um ihn her, ein herrliches Friedens- 
gemälde inmitten des Krieges. Wo ist der große Künstler, 
um ee festzuhalten für alle Zeiten? Dieses dichtgeschlossene 
NRiesenheer aug grauem Stahl, durchhämmert von den 
tausend Pulsschlägen des deutschen Lebeno und seiner ge- 
sunden Kraft, frohe Erwartung in allen Gesichtern, eim 
stolzes und freudiges Blitzen in allen Augen. Hochauf- 
gerichtet steht der 
von Beseler, sowie der heldenhaften Tapferkeit unserer 
prächtigen Truppen und der vortrefflichen deutschen und 
österreichisch-ungarischen Belagerungöartillerie ist die stärkste 
und modernste russische Festunt g Nowo-Georgiewsk unser. 
Tief ergriffen habe ich eben meinen braven Truͤppen meinen 
Dank ausgesprochen; sie waren in prachtvoller Stimmung 
— Eiserne Kreuze ausgeteilt; alles Landwehr und Land- 
sturm. Es ist eine der schönsten Waffentaten der 
Armee. Die Zitadelle brennt, lange Kolonnen Gefangener 
begegneten mir auf der Hin= und Rückfahrt. Es war ein 
erhabener Tag, den ich in Demut Gott danke. Die Beute 
von Kowno ist auf 600 Geschütze gestiegen. 
Wilhelm.“ 
Frezenberg 
Am 4. Mai 1915 in den ersten Morgenstunden, ver- 
mutlich nach dem Abschießen einer grünen Leuchtkugel von 
2 Uhr ab, hatte die uns gegenüberliegende englische Gra- 
benbesatzung, die sich nach dem Sturme vom 25. April 
noch gehalten hatte, 
  
Kaiser. Kräftig und 
klar, vernehmlich in 
jeder Silbe klingt 
seine Stimme über 
den weiten stillen 
Naum. Er sagt, daß 
er gekommen sei, 
um seinen treuen 
tapferen Truppen 
persönlich für die 
Großtaten zu danken, 
die sie vollführt in 
überraschend kurzer 
Zeit. Er dankt den 
Führern des sieg 
reichen Heeres und 
dankt den Getreuen 
und Opferfreudigen 
in der Heimat. Der 
beharrliche tapfere 
Kampf im Felde. 
der Glaube, die Zu- 
versicht und das un- 
erschütterliche Gort- " 
vertrauen in der Heimat, das gehört zusammen, so muß 
es sein, und weil es so ist, ist der Sieg bei uns. 
Das Hurra, das die Truppen ihrem Kaiser bringen, 
flutet wachsend über das weite Feld. Dann spielt die 
Musik das Heil Dir im Siegerkranz, und die Felbgrauen 
singen es leise mit. 
Dann gleitet alles auseinander, die Wagen des Kaiser- 
zuges rollen unter dem feinen Regenstaub davon, gegen 
Nowo-Georgiewsk, vorüber an neuen Schwärmen von Ge- 
fangenen, die sich, seit die Straße gesperrt war, an 
den Ufergehängen des Flusses angesammelt haben zu 
malerisch wirkenden Gruppen. 
ein Gewimmel von Braun in Braun. Man muß bei diesem 
Anblick an biblische Vergangenheiten denken, an Szenen 
und Bilder des in der Wüste verirrten Volkes von Jorael, 
das zu Füßen des Berges Sinai gelagert war, schen 
eimporblickte zu den Flammen des Wettergewölks und sehn- 
suchtsvoll auf eine Kunde der Erlösung harrte. 
* * 
* 
An diesem Abend telegraphierte der Kaiser an den 
Reichskanzler: 
„Dank dem gnädigen Beistand Gottes und der be- 
währten Führung des Eroberers von Antwerpen, Generals 
  
Von den Russen gesprengte Brücke über den Njemen 
Ein Gewoge von Köpfen, 
das Nutzlose ihres 
Ausharrens einge- 
sehen und war ab- 
gerückt. So hieß 
es denn: Vor! In 
großer Begeisterung 
und Siegerstim- 
mung, dem Gegner 
aufden Fersen. Nach 
mehr als fünf Mo- 
naten in Schlamm 
und Nässe hatten 
wir das Schützen- 
grabenleben recht 
satt, und lange ge- 
nug darauf gehofft, 
daß es vorwärts 
gehen möchte —: 
endlich war es so 
weit — der Sturm 
vom 25. April, der 
uns eigentlich nur 
einen Teilerfolg ge- 
bracht hatte, begann 
seine Auswirkung zu zeigen; wir 242er wollten doch nicht 
die Letzten sein, die in l!t1 einzögen! 
Was war das ein stolzfrohes Bewußtsein, die Gräben, 
aus denen einem monatelang nur Tod und Verderben 
entgegengespien hatte, jetzt mit umgehängtem Gewehr leich- 
ten Fußes zu überschreiten und teuer erkauften Boden in 
Besitz zu nehmen! Die Engländer waren durch unsere 
rasch folgenden Truppen, Leute des J. und III. Bataillons, 
aus Zonnebeke geworfen worden und hatten sich bei Frezen- 
verg erneut festgesetzt. Wir, das II. Bataillon, als Reserve 
verwandt, sammelten am 4. Mai 1915 in Jonnebeke und 
rückten bis zum Ausgang des Ortes, wo die Bahn Rou- 
lers-Dpern die Straße Zonmnebeke —Frezenberg—pern 
schneidet. Wir wurden vorerst nicht eingesetzt und bezogen 
deshalb für die Nacht im Orte Quartier. Die nächsten 
24 Stunden verbrachten wir ebenfalls noch in 3. 
Am 6. Mai kam Befehl zur Ablösung des III. Bataillons, 
und zwar 6. und 7. Kompagnie in vordere Linie, s. und 
§. in Reserve. Vorm Abrücken sagte unser Kompagnie- 
führer noch zu und: „Es kann sein, daß an die Kom- 
pagnie eine schwierige Aufgabe herantritt, die zu 
erfüllen eure Pflicht ist, und so boffe ich denn, daß ihr 
alles daransetzen werdet, damit wir mit unserem Bataillon 
Ehre einlegen!“
	        
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