Full text: Sachsen in großer Zeit. Band I. (1)

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die drei Grenadiere stehen auf, werfen noch einmal Hand- 
granaten, und ziehen sich dann eiligst, von anhaltendem 
feindlichen Feuer verfolgt, nach der eigenen Stellung zurück. 
Aus den Feldpostbriefen des Leutnants 
Ulrich Eggersh 
(Infanterie-Regiment 106) 
Unter den zahlreichen Opfern der Kampfflüge ragt 
eine jugendliche Heldengestalt hervor, ein sächsischer Infan= 
terieleutnant, der auch auf dem Schlachtfelde zur Erde, 
als Kompagnieführer, Hervorragendes geleistet hat, bevor 
er — wie so viele infolge einer 
Verwundung — die Fliegerlauf- 
bahn einschlug als die einzige 
Möglichkeit für ihn, weiter mit- 
kämpfen zu können für seineo 
Vaterlandes Jukunft und Ehre. 
Zwar in Pommern geboren, 
krat Ulrich Eggeröh doch schon mit 
15 Jahren in das Königlich 
Sächsische Kadettenkorps 1910 
ein und kam, Primaner damals, 
bei Kriegsausbruch zu dem Leip- 
ziger Infanterie-Regiment 106. 
Schon am 26. September 1914 
wurde er bei Huberix durch Bein- 
schuß verwundet und mußte sich 
einer schweren Gelenkoperation 
unterziehen. Obgleich das Bein 
die völlige Bewegungsfreiheit nicht 
wieder erlangte, ließ der Taten- 
drang dem Jüngling keine Ruhe. 
Am 15. Mai lols bei den Nach- 
schüben infolge der Verluste bei 
der Lorettohöhe rückte er von 
neuem ins Feld und focht bei 
Leno und Hulluch. Nach Beendi- 
gung eines Kommandos zum Gas- 
Kursus in Bitterfeld traf er sein 
Negiment im Westen nicht mehr an und wurde an 
der Ostfront Ordonnanzoffizier beim Stabe des Obersten 
von Schönberg. Als Führer der 7. Kompagnie focht 
er vor Wilna und kam später mit vor Verdun, wo 
die Sachsen Übermenschliches leisteten. Bei Reimo mit 
dem Regiment in Ruhe — meldete sich Leutnant Eggereh 
zu den Fliegern, denen seine ganze Begeisterung gehörte. 
Auf ÖOsterurlaub 1917 kam er mit erfrorenen Händen. 
Sein erster Flug nach dem Urlaub war sein Todessturz. 
Ulrich Eggersh und der Flugzeugführer Vizefeldwebel 
d. N. im Königl. Sächs. Schützenregiment lo8 Reinhold 
Nietzsch aus Vorstadt Plauen, beide Inhaber des Eisernen 
Kreuzes 1. und 2. Klasse und anderer hoher Ordens- 
auszeichnungen, sind am 14. Mai 1917 im Luftkampfe 
gefallen. In dem den beiden Helden gewidmeten Nachrufe 
der Fliegerabteilung heißt es: Die Äbteilung verliert in 
dieser Besatzung ihre Besten, deren erfolgreiche Flüge vor- 
bildlich sind und deren Erkundungsergebnisse in der Kriegs- 
geschichte bleibend sein werden. Zwei liebe Kameraden sind 
jäh aus unserer Mitte gerissen. Wir werden ihnen ein 
ehrendes Andenken bewahren. 
Aus vielen fesselnden Briefen des jungen sächsischen 
Offiziers einige Stellen: 
August lols am Narew: Bedauern muß man den, dem 
eo nicht vergönnt ist, diesen Krieg mitzumachen. Nie in 
seinem Leben wird er solche Stimmungen, solche Gefühle 
baben wie wir hier draußen. Und wenn ich wirklich den 
Augenblick beschreibe, könnt ihr euch doch nicht in meine 
  
Leutnant Eggersh 
Gedanken hineindenken. Ich liege hier an einem Lager- 
feuer, in meinen Mantel gehüllt. Rings herum zwischen 
den hohen Kiefern brennen die Feuer. In der Ferne brüllen 
die Kanonen, und dazu spielt eine Kapelle einen Choral. 
So etwas Wunderbares gibt es nirgends auf der Welt. 
Jetzt will ich in mein Zelt gehen und schlafen, denn es ist 
spät; die Musik verstummt. 
Zemzio am 8. August: Wir lagen zuletzt am Narew 
vor einer kolossal befestigten Stellung, an die wir uns all- 
mählich heranarbeiteten, um sie dann im Sturm zu neh- 
men. Gott sei Dank ist uns letzteres erspart geblieben. Am 
3., glaube ich, war es, da gingen der Kommandeur, der 
Regimentsadjutant und ich in die Stellung. Die Russen 
schossen ziemlich nervös und der 
ganze Horizont war ein Feuer- 
schein. Halb zwölf nachts langten 
wir im vordersten Graben, etwa 
40 Meter vor dem Feinde, an, 
als plötzlich das feindliche Feuer 
verstummte. Sofort vorgeschickte 
Patrouillen fanden die russische 
Stellung verlassen vor und mit 
Hurra rückten unsere Truppen in 
die Gräben ein. Alle Dörfer und 
sogar die Kornfelder teilweise 
niederbrennend, zogen sich die 
Russen zurück, ein Erlebnis, ein 
Anblick, den ich nie vergessen 
werde. 
Gegen Morgen setzte die Ver- 
folgung ein, die uns jetzt bis hier- 
her geführt hat. Leider ist sie jetzt 
etwas ins Stocken geraten, da der 
Feind sich wieder verschanzt hat. 
Bei den Verfolgungsgefechten 
gestern abend und heute haben 
wir fünf Offiziere verloren, zwei 
tot, die andern schwer verwundet. 
Der eine der beiden gefallenen 
Kameraden ist ein 29 jähriger 
außerordentlicher Professor, der 
morgen auf Urlaub in die Heimat gehen wollte. Das 
Schicksal hat es anders gewollt. 
Jetzt brennen wieder s Dörfer. Es ist traurig anzu- 
sehen, wie der armen Bevölkerung ihr letztes Hab und 
Gut von den Kosaken verbrannt und zerstört wird. So kam 
gestern ein altes Bauernpaar weinend zu mir: Die Pioniere 
hätten ihre letzten Pferde genommen, um Material zum 
Brückenbau heranzufahren; ob sie die Pferde, wenn die 
Brücke fertig wäre, nicht wiederbekommen könnten. Ich 
ließ ihnen Wagen und Pferde wieder zurückbringen, und da 
sielen die beiden Alten 
auf die Knie, küßten mir 
die Hände und den Rock- 
schoß und wußten nicht, 
wie sie mir danken soll- 
ten. So etwas findet 
man in Frankreich nicht; 
da halten sie es für selbst- 
verständlich, daß ihnen 
alles gelassen und bezahlt 
wird. 
Litriany 16. Septem- 
ber: Eben bin ich wieder 
zum Bataillon gestoßen, 
hatte einen Sonderauf- 
trag, nämlich an einer 
Stelle das nöärdliche 
Wiljaufer zu säubern und 
 
	        
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