Weltenwende
Im friedlichsten und betriebsamsten Wetteifer aller Kul-
turvölker der Erde hatte sich Sachsen, stark und getreu im
Schutze des neuen Deutschen Reiches, durch Jahrzehnte,
die von emsigem Gewerbfleiß auf allen Gebieten erfüllt
waren, Ehre und An-
stätte des Weltfriedensgedankens geworden. — Da riß
das Schicksal den Heuchlern rings um Deutschland die
Maske herunter. Im Osten ein Mordanschlag auf Öster-
reichs Thronfolger, dem man noch im Vorjahre in Leipzigo
Straßen neben dem
seben weitum über
Meer und Land er-
rungen und war in
das zwanzigste Jahr-
hundert als eines der
führenden Länder auf
den Gebieten segens-
reicher Friedenswerke
eingetreten. Gästeaus
fernster Welt sah es
Abertausende auf sei-
nen großen internatio-=
nalen Ausstellungen in
Dresden und Leipzig
bei sich und entließ sie
alle als Bewunderer
sächsischen Schaffens=
fleißes. Den jahrhun-
dertealten Ruhm
Sachsens, dendie Leip-
ziger Messe ihm schuf,
festigten die Interna-
tionale Hygiene-Aus-
stellung, eine wahr-
hafte Musterschau der
Nächstenliebe, und die
Internationale Bau-
fach-Ausstellung, ein
Mark= und Meilen-
stein in der Geschichte
dermenschlichen Heim-
stätte und der Kultur
überhaupt, vor allem
aber die Ausstellung
für Buchgewerbe und
Graphik aller Völker
und Länder 1014 zu
Füßen des im Jubel-
jahr der Leipziger Böl-
kerschlacht feierlich ge-
weihten Riesendenk-=
mals auf dem Napo-
leonschlachtfeld zwi-
schen Probstheida und Thonberg. Wo 1913 am Jahrhundert-
tage der siegreichen größten deutschen Schlacht sich die Fürsten
Alldeutschlands und die Monarchen freundnachbarlicher und
verbündeter Staaten brüderlich die Hände gereicht hatten, so
daß man den ewigen Frieden eingekehrt wähnte auf der Erde,
da wetteiferten #m Jahr darauf alle Kulturvölker der Welt, die
Geistesschätze ihres Schrifttums im edelsten Bewerb darzu-
tun, und niemals sah unsere Zeit eine friedlichere Völkerschau
als die stolze Straße der Nationen im Schatten des Leip-
ler Völkerschlachtdenkmals im Sommer 1914. Die Träger
erühmtester Namen in allen Ländern hatten sich in Leipzig
als Gäste angesagt, Sachsen war in Wahrheit eine Pfleg-
Sachsen in großer Zeit
Ruhmesmal der Leipziger Völkerschlacht
Sonderaufnahme für „Sachsen in großer Zeit“
doutschen Kaiser zu-
gejubelt hatte, zerriß
das feingesponnene
Netz der jahrelang so
heimlich gehüteten
Heuchelei: Deutsch-
land siand fast allein
inmitten von lauter
Feinden, die daheim
längst den Krieg ge-
rüstet hatten und doch
mit heimtückischem
Eifer deutsche Aus-
stellungen und Kon-
gresse beschickten und
besuchten. Jäh stockte
am überhellen heißen
Augusttage Tausen-
den in den festlichen
Gassen der „Bugra“
zu Leipzig der Herz-
schlag und Tausende
Augen schauten er-
schreckt zu dem über-
ragenden Denkmale
der Völkerschlacht auf
der Höhe auf, an dem
der Erzengel Michael
mit dem blanken
Schwerte ewige Wacht
hält, Deutschlands Sie-
gessinnbild. Vor ihm
hatteim Vorjahre Kai-
ser Wilhelm lange ge-
dankenversunken ge-
standen, und es waren
dunkle Schatten wie
von einem heiligen
Zorneüber seine Stirn
gezogen. Gott mituns!
Die wuchtige Inschrift
auf den Riesenqua-
dern, sie hatte ihm
einen heißen, frohen und festen Mut ins Herz gegeben,
daß er sein Schwert fester faßte, als er mit umdunkeltem
Blick von dem überragenden Bildnis des Erzengels mit
dem nackten Schwert unter seine Begleiter zurückgetreten
war. Gott mit uns! Dae alte deutsche Wort der Kriege
und der Siege, es flammte auch an jenem Augusitag 1914
durch alle Herzen derer, die in den fahnenprangenden
Gassen der Leipziger Ausstellung erbebend den Schritt
verhielten, und durch alle Sachsenherzen in Stadt und
Land. Mobilmachung befohlen!
Deutschland war wach und bereit. Das deutsche Schwert
fuhr blitzend aus der Scheide.
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