Full text: Sachsen in großer Zeit. Band I. (1)

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schen mißhandelte, verjagte und beraubte, ja tötete, das 
hat in Antwerpen ein aus Leipzig stammender Geschäfts- 
mann mit Entsetzen miterlebt: 
„Es war in der Nacht vom Dienstag auf Mittwoch 
gegen 3 ½ Uhr früh, als ich durch großen Lärm und Poltern 
aus dem Schlafe geweckt wurde. Ich sah aus dem Fenster 
und bemerkte auf der Straße eine große Menschenmenge, 
die johlend und schreiend, mit erhobenen Stöcken und Ne- 
volvern gegen alles, was deutsch war, anstürmte. Einzelne 
Trupps verwegener Gestalten drangen in die Häuser der 
Deutschen ein, sprengten die Haustüren und stürmten die 
Treppen hinauf. Die Türen der Wohnungen wurden eben- 
falls erbrochen. Und nun hausten die blindwütigen Un- 
menschen wie die Bestien. Frauen und Kinder, sogar 
Wöchnerinnen, wurden an den Haaren aus den Betten ge- 
rissen, in rohester Weise mit Stöcken geschlagen und die 
Treppen hinuntergesagt. 
Hauses zwei Kinder im Alter von etwa drei und sechs 
Jahren aus dem Fenster geworfen wurden und unten mit 
zerschmetterten Gliedern liegen blieben. Unterdessen trieben 
die Belgier, nach meiner Schätzung etwa 3000 bis 4000 
an der Jahl, die Deutschen unter den schlimmsten Miß- 
handlungen in der Straße vor sich her. Unter das wilde 
Gejohle mischten sich wiederholt Nevolverschüsse. Ich weiß 
nicht, was aus meinen Landsleuten geworden ist. Ich be- 
merkte nur, wie die entfesselte Menge auch die Läden und 
große Warenhäuser der Deutschen stürmte und sie teilweise 
in Brand steckte. An vielen Fensterläden sah ich die Flam- 
men auf die Straße schlagen. Aus der Menge wurden Rufe 
wie „Nieder mit den Zeppelinen, „Nieder mit den deutschen 
Hunden',„Tod den deutschen Lumpen' laut. Einzelne rissen 
das Pflaster auf und warfen mit den Steinen auf die 
Deutschen, andere rissen eiserne Gitter los und schlugen 
damit auf sie ein. 
  
*5 
  
Dresdener Mannschaften kommen von der Einkleidung 
Ich flüchtete in wilder Hast, um wenigstens mein nacktes 
Leben zu retten. Einen Koffer mit 400 Gulden ersparten 
Geldes mußte ich zurücklassen. Unten auf der Straße 
sah ich nun, wie ein Mann mit seiner Frau und seinen 
beiden Kindern, alle nur in der notdürftigsten Bekleidung, 
zu fliehen suchten. Sofort scharte sich um sie eine große 
Menge Belgier, die in drohender Haltung, mit Stöcken, 
Messern und Revolvern bewaffnet, auf sie eindrangen. 
Ich eilte dem Manne zu Hilfe und nahm ihm die beiden 
Kinder ab. Kaum hatte ich diese auf dem Arm, da sah ich, 
wie ein Belgier unter dem lauten Gejohle und frenetischem 
Beifall der anderen auf die arme Frau, die schon halb 
ohnmächtig in den Armen ihreo Mannes lag, losstürzte 
und sie mit einem Messerstich tötete. Ich ließ die Kinder 
einen Moment los, um dem unglücklichen Manne, der an 
vielen Stellen blutete, zu Hilfe zu kommen. Dieser war 
jedoch im Gedränge schon verschwunden. Als ich mich 
wieder den Kindern zuwendete, waren diese ebenfalls durch 
Messerstiche ermordet. Jetzt suchte ich mein eigenes Leben 
in Sicherheit zu bringen. Etwa 50 Schritt weiter in der- 
selben Straße sah ich, wie aus dem vierten Stockwerk eines 
Ein großes deutsches Geschäftshaus wurde völlig aus- 
geplündert. An den Plünderungen beteiligten sich vor- 
nehmlich auch viele Frauen. Und bei alledem verhielt sich 
die Polizei vollkommen passiv. Ganz in meiner Nähe stand 
ein Polizeibeamter, der den Vorgängen den Rücken kehrte, 
ja, eher eine vergnügte Miene zeigte, als die Absicht kund= 
gab, einzugreifen. Unter vielen Mißhandlungen und Schlä- 
gen gelangte ich endlich an den Hafen, wo ich am Ufer ein 
unbemanntes Segelboot erblickte. Mit drei anderen ver- 
folgten Deutschen schwang ich mich in dieses. Nur diesem 
glücklichen Zufall ist es zu verdanken, daß wir mit dem 
Leben und ohne schwere Verletzungen davonkamen. Draußen 
vor dem Hafen wurden wir von einem Schiff, das unter 
holländischer Flagge fuhr, aufsgenommen. In Notterdam 
gingen wir wieder an Land und fuhren dann mit einem 
holländischen Kohlenschiff den Rhein aufwärts bis Wesel. 
Dort stellte ich mich als Kriegsfreiwilliger, um in den 
Neihen unserer deutschen Krieger das unverschuldet ver- 
gossene Blut unserer deutschen Landsleute doppelt und 
dreifach, jedoch im ehrlichen Kampfe, Waffe gegen Waffe, 
zu rächen. Dao Wehgeschrei der mißhandelten Frauen und
	        
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